Die Märkte unterschätzen das Rezessionsrisiko nach wie vor
Die Inflationsraten scheinen ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Dennoch könnte die Stärke der der Weltkonjunktur auf kurze Sicht eine weiterhin restriktive Geldpolitik und insbesondere höhere Leitzinsen in den USA nach sich ziehen. Sollte der reale US-Zins positives Terrain erreichen, könnte das erhebliche Auswirkungen auf Risikoanlagen haben. Das gilt speziell für die Credit-Märkte, die von erheblichen Kapitalzuflüssen profitiert haben, wodurch sich die Bonitäts-Spreads deutlich verengt haben.
Da wir aufgrund der geldpolitischen Straffung in den letzten 12 Monaten immer noch von einer Rezession ausgehen, bleiben wir gegenüber Risikoanlagen vorsichtig. Dies schlägt sich in einer nochmals verstärkten Untergewichtung von Credit-Risiken nieder. Bei Aktien sind wir zu einer neutralen Positionierung übergegangen, wofür quantitative Signale, die Anlegerstimmung und die kurzfristigen Wachstumsaussichten sprechen. Wir erwarten, dass die Credit-Märkte bei einer Konjunkturabschwächung vor den Aktienbörsen unter Druck geraten werden.
Bei Aktien bevorzugen wir derzeit Titel aus Schwellenländern gegenüber solchen aus entwickelten Staaten. Untergewichtet sind wir vor allem in den USA angesichts des Risikos höherer langfristiger Zinsen. Aufgrund besserer Wachstumsaussichten haben wir den europäischen Markt auf neutral heraufgestuft.
Im Credit-Segment deuten die Bewertungen von Hochzinsanleihen, strengere Kreditvergabekriterien und das nachlassende Wirtschaftswachstum darauf hin, dass sich dort das Eingehen von Risiken aktuell nicht lohnt.
Bei den Währungen sind wir zu einer Übergewichtung des Euro übergegangen, dessen Fundamentaldaten sich verbessert haben. Der Yen bleibt übergewichtet, wofür die Chance auf eine geldpolitische Straffung und die günstige Bewertung spricht. Im britischen Pfund bleiben wir „short“ positioniert, gleichzeitig übergewichten wir Schwellenlandwährungen.

Makroausblick
Anpassung unseres Ausblicks an die robuste US-Konjunktur
Der US-Arbeitsmarkt und die Arbeitskräftenachfrage haben sich als stärker erwiesen als erwartet. Die amerikanische Notenbank ist angesichts sinkender Inflationsraten dazu übergegangen, ihre gesamtwirtschaftlichen Erwartungen in Abhängigkeit von der Datenlage anzupassen. In unserem jüngsten Makroausblick veranschaulicht ein Szenariobaum die aus unserer Sicht wahrscheinlichsten möglichen weiteren Entwicklungen (Grafik 1).
Abhängig sind die Aussichten ebenso von der Reaktion der US-Notenbank auf die Konjunkturdaten wie von den Daten selbst. Unser Indikator für die Lage am Arbeitsmarkt zeigt, dass dieser im historischen Vergleich immer noch sehr stark ist (Grafik 2). Daher dürfte auf sehr kurze Sicht (0-6 Monate) der wichtigste Bestimmungsfaktor für die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven sein, wie die Geldpolitik auf die anhaltende Stärke des Arbeitsmarkts reagiert. Wir glauben, dass die Notenbank eher aggressiv vorgehen wird mit einer Anhebung des Leitzinses und/oder einer Verlängerung des Zeitraums, in dem sie den Leitzins voraussichtlich beibehalten wird. Es besteht eine nur geringe Chance, dass sie trotz der sehr guten Arbeitsmarktlage zurückhaltender reagiert (10 % Wahrscheinlichkeit, blaue Linie in Grafik 1). Dieses Szenario würde letztlich in einer weichen Landung der US-Konjunktur münden.
Grafik 1: Die Makroaussichten hängen zwar von der Reaktion der Geldpolitik ab, aber das Resultat wird wahrscheinlich immer noch eine Rezession sein

Tabelle 1: Kumulierte Wahrscheinlichkeiten verschiedener Konjunkturszenarien

Hinweis: Die Wahrscheinlichkeiten im Szenariobaum sind für jeden Zweig angegeben. Die kumulierten Wahrscheinlichkeiten für jeden Zeithorizont sind auf die nächsten 5 % gerundet. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Wahrscheinlichkeiten im letzten Monat. Quelle: Fidelity International; Stand: Februar 2023.
Was geschieht, wenn die US-Geldpolitik straff bleibt?
Sollte die US-Notenbank ihre restriktive Geldpolitik beibehalten, dürfte ihr Verhalten auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten in erster Linie von den Konjunkturdaten bestimmt werden. Dabei halten wir drei Szenarien für möglich: eine weiche Landung der Konjunktur (20 % Wahrscheinlichkeit), eine zyklische Rezession (60 % Wahrscheinlichkeit) und einen anhaltend starken Arbeitsmarkt, der zu einer weiteren Straffung führt (20 % Wahrscheinlichkeit).
Wenn die Angebotsknappheit auf dem US-Arbeitsmarkt nachlässt, weil mehr Menschen wieder erwerbstätig werden, lässt dies eine sanfte Landung erwarten. Dann könnte die Notenbank ihre Geldpolitik wieder lockern. Für wahrscheinlicher halten wir jedoch eine zyklische Rezession infolge einer weiteren Straffung der Geldpolitik, wodurch sich die Arbeitsmarktlage letztlich wieder entspannen würde.
Wenn der Nachfrageüberhang am Arbeitsmarkt und der Inflationsdruck jedoch trotz weiterhin straffer Geldpolitik anhält, würden wir weitere deutliche Zinserhöhungen erwarten.
Grafik 2: Nach wie vor bestehende Arbeitskräfteknappheit in den USA

Quelle: Fidelity International, Berechnungen von Fidelity Global Macro Research; Stand: Februar 2023
Sollte dieses Szenario eintreten, besteht das Risiko einer Bilanzrezession, also eines Wachstumsrückgangs aufgrund verstärkter Investitionszurückhaltung der Unternehmen. Wird die US-Geldpolitik weiter gestrafft und bleiben die Realzinsen bis ins Jahr 2024 hoch, wären viele schwächere Unternehmen mit der Refinanzierung zu diesen hohen Zinssätzen überfordert.
Die US-Notenbank wird wahrscheinlich eine Rezession auslösen
All dies hat dazu geführt, dass sich die von uns unterstellten Wahrscheinlichkeiten bestimmter makroökonomischer Entwicklungen für die nächsten 12 und 18 Monate erheblich verändert haben (Tabelle 1).
Erstens haben wir das Szenario „Stagflation" gestrichen und durch das Szenario „Anhaltend straffe Geldpolitik“ ersetzt, das in den nächsten 12 Monaten eine kumulierte Wahrscheinlichkeit von 15 % aufweist, die auf Sicht von 18 Monaten jedoch auf 0 % sinkt. Zweitens haben wir das Risiko einer Bilanzrezession auf den Horizont von 12 bis 18 Monaten verschoben. Infolgedessen ist die kumulierte Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios in den nächsten 12 Monaten auf 0 % gefallen, über 18 Monate aber auf 15 % gestiegen. Drittens bleibt die kumulierte Wahrscheinlichkeit einer zyklischen Rezession (unser Basisszenario) in den nächsten 12 Monaten bei 55 %; auf Sicht von 18 Monaten ist sie auf 60 % gestiegen.
Außerdem glauben wir, dass die Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung der Konjunktur in den nächsten 12 Monaten von 20 % auf 30 % gestiegen ist, während sie in den nächsten 18 Monaten mit 25 % etwas geringer ist. Dafür spricht vor allem, dass die US-Notenbank keine Lockerung ihrer Geldpolitik vornehmen dürfte.
Diese kumulierten Wahrscheinlichkeiten liefern zwei wichtige Signale. Zum einen ist der Anstieg der Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung in den nächsten 12 Monaten weitgehend auf eine mögliche geldpolitische Lockerung in den nächsten 6 Monaten (blaue Linie) zurückzuführen. Wir halten diesen Pfad aber für sehr unwahrscheinlich (10 %). Zum anderen ist es aus unserer Sicht am wahrscheinlichsten, dass die Notenbank die immer noch hohe Inflation und die angespannte Arbeitsmarktlage dadurch in den Griff zu bekommen versucht, dass sie eine Rezession auslöst, um Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen.
Indikatoren von Fidelity
Der FLI Cycle Tracker ist den dritten Monat in Folge im oberen linken Quadranten (unterdurchschnittliche, aber zunehmende Aktivität) gestiegen. Darin spiegelt sich der Aufwärtstrend bei den Unternehmensumfragen sowie in den Bereichen Konsum, Arbeitsmarkt und Welthandel wider. Der FLI spricht zwar weiterhin für aufgehellte Wachstumsperspektiven. Unser Basisszenario bleibt jedoch eine harte Landung der Konjunktur, da die führenden Zentralbanken ihre Leitzinsen weiter in einen Bereich anheben, der zunehmend restriktiv wirkt.
FLI Cycle Tracker

Quelle: Fidelity International; Stand: Februar 2023
FLI: Änderung über 3 Monate vs. OECD-Industrieproduktion

Quelle: Fidelity International; Stand: Februar 2023
Die Unternehmensumfragen bewegten sich erstmals seit über zwei Jahren in den oberen rechten Quadranten (überdurchschnittliche, zunehmende Aktivität). Speziell in Europa befinden sich die Einkaufsmanagerindizes wieder im Aufschwung, da der nachlassende Energieschock, das relativ milde Wetter und sinkender Inflationsdruck der Stimmung in allen Sektoren zugutekamen.
Die Komponente Konsum & Arbeitsmarkt stieg in den oberen rechten Quadranten an. Das Verbrauchervertrauen legte in allen Regionen zu, angeführt von Deutschland, Frankreich und den USA, da der Inflationsdruck weiter nachließ und sich am Winteranfang geäußerte Befürchtungen eines Wachstumseinbruchs nicht bestätigten. Die Signale vom Arbeitsmarkt waren uneinheitlich. So gingen die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA weiter zurück, obwohl die Nachfrage nach Überstunden abnahm.
Fidelity Leading Indicator (FLI)
Der FLI soll die kurzfristige Richtung und Dynamik des globalen Wachstums prognostizieren und die dafür maßgeblichen Faktoren identifizieren. Konkret soll der FLI die globale Industrieproduktion und andere zyklische Variablen auf Sicht von rund drei Monaten vorhersagen. Fidelity Solutions & Multi Asset nutzt den FLI als Bezugspunkt bei der taktischen Asset Allocation
Core Asset Allocation
Anlagesegment | Einschätzung | Änderung | Begründung |
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Aktien |
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USA |
- | Die US-Wirtschaft hat sich als widerstandsfähiger erwiesen als befürchtet. Die höheren Zinsen müssen sich aber erst noch in vollem Umfang bemerkbar machen, und wir glauben, dass das Wachstum im Jahresverlauf ins Stocken gerät. | |
Europe (exkl. UK) |
▲ | WIn Europa gab es einige positive Konjunkturüberraschungen. Die Wirtschaft wurde durch den milden Winter und die besser als erwartet ausgefallene Energieversorgung unterstützt. Die Wiedereröffnung Chinas birgt Aufschwungpotential im Exportsektor. | |
Großbritannien | - | Der international ausgerichtete Index ist zwar günstig bewertet. Aufgrund schwacher Binnenkonjunktur sind wir bei inländisch ausgerichteten Firmen jedoch vorsichtiger. | |
Japan | - | Das Verarbeitende Gewerbe leidet unter der Abschwächung der Weltkonjunktur und Kostendruck, während der Dienstleistungssektor durch die tourismusbedingte Nachfrage gestützt wird. Das Ende der Yen-Schwäche ist ein Ertragshemmnis. | |
Schwellenländer | - | In China sind die Corona-Restriktionen aufgehoben und der Schwerpunkt wieder auf das Wachstum gelegt worden. Auch Geld-, Fiskal- und Regulierungspolitik wirken tendenziell unterstützend, was die Emerging Markets allgemein begünstigen dürften. | |
Pazifikraum (exkl. Japan) |
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- | Die Region könnte zwar von wieder verstärkter Nachfrage Chinas profitieren. Aufgrund des Gegenwinds, der unter anderem vom australischen Immobilienmarkt ausgeht, und des Kurswechsels der australischen Notenbank bleiben wir aber neutral positioniert. |
Credits | |||
Unternehmensanleihen (Investment Grade) | - | Die jüngsten positiven Überraschungen bei Konjunktur und Inflation könnten für eine wieder optimistischer Einschätzung von Credits sprechen. Die Bewertungen sind jedoch nicht attraktiv genug dafür, weshalb wir defensive IG-Anleihen bevorzugen. | |
High Yield-Anleihen (global) | - | Die Renditeaufschläge für Hochzinsanleihen in den USA und der EU sind unter den Median nach der Finanzkrise gesunken. Sie könnten wieder steigen, wenn sich die Stimmung verschlechtert und das Refinanzierungsumfeld ungünstiger wird. | |
Emerging Market Bonds (Hartwährungen) | - | Die Spreads von Hartwährungsanleihen sind immer noch weit, vor allem bei einigen Staatsanleihen. Die Wiederöffnung Chinas hat die Fundamentaldaten der Schwellenländer verbessert und künftig könnte eine Übergewichtung angebracht sein. | |
Staatsanleihen | |||
USA | ▼ | Die US-Inflation ist hartnäckiger als erhofft. Zusammen mit dem starken Arbeitsmarkt bedeutet dies, dass die Notenbank mehr tun muss, um die Inflation zu senken. | |
Euroraum (Bundesanleihen) | - | In Europa ist die Inflation nach wie vor hoch, und die EZB scheint bereit zu sein, trotz der Wahrscheinlichkeit einer Rezession weitere Zinserhöhungen vorzunehmen. | |
Großbritannien | ▲ | Jüngste Daten deuteten auf eine rückläufige Inflation hin. Das Lohnwachstum im privaten Sektor ist zwar noch hoch, es gibt aber Anzeichen dafür, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften abflaut, was den Inflationstrend begünstigen würde. | |
Japan | - | Der überraschende Schwenk der Bank of Japan hin zu einer flexibleren Kontrolle der Renditekurve im Dezember hat das Funktionieren des Marktes nicht gefördert. Wir halten die derzeitige japanische Geldpolitik für nicht nachhaltig. | |
Inflationsindexierte Papiere (USA) | - | Wieder aufkommender Inflationsdruck führte zu höheren Inflation-Breakevens über die gesamte Zinskurve hinweg. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt. | |
Währungen |
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USD |
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- | Es spricht zwar einiges dafür, taktisch auf den Dollar zu setzen, doch die Bewertung der kurzfristigen Zinsen ergibt, dass das Potential derzeit weitgehend erschöpft ist. |
EUR |
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▲▲ | Die Fundamentaldaten Europas haben sich deutlich verbessert. Die günstigeren Wachstumsaussichten geben der EZB mehr Spielraum, um weitere Zinserhöhungen vornehmen zu können, wovon der Euro profitieren sollte. |
JPY |
- | Die japanische Notenbank dürfte von ihrem Kurs einer ultralockeren Geldpolitik abrücken. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der günstigen Bewertung der Währung bleiben wir im Yen leicht übergewichtet. | |
GBP | - | Die jüngsten Inflationsdaten stützen den weiterhin lockeren Kurs der Bank of England. Zudem befindet sich Großbritannien immer noch auf dem Weg in eine Rezession. | |
Emerging Markets |
- | Die Fundamentaldaten in ausgewählten Schwellenländern in der Form hoher Realzinsen, positiver Konjunkturimpulse durch die Wiederöffnung Chinas und günstige Bewertungen dürften solide bleiben. |
Quelle: Fidelity International; Stand: Februar 2023. Die Veränderung spiegelt den Richtungsunterschied der Einschätzung gegenüber dem Vormonat wider. Die Einschätzungen beziehen sich auf einen typischen Zeithorizont von 12-18 Monaten und bieten eine breite Basis für Entscheidungen zur Asset-Allocation. Sie spiegeln jedoch nicht zwangsläufig die aktuellen Positionen der Anlagestrategien wider, die nach spezifischen Zielen und Vorgaben umgesetzt werden.
Fidelity Solutions & Multi Asset
Fidelity Solutions & Multi Asset ist ein globales Team, das Portfolios mit einer breiten Palette von Anlageklassen managt - darunter Aktien, Anleihen, Immobilien, Infrastruktur und andere alternative Investments. Das Team ist darauf spezialisiert, für Kunden ergebnisorientierte Strategien zu entwickeln und zu verwalten. Dabei kombiniert es mehrere Anlageklassen, um die jeweiligen Ziele zu erreichen.
Zum 31. Dezember 2022 verwaltete Fidelity Solutions & Multi Asset für institutionelle und private Kunden aus aller Welt Anlagen in einem Volumen von mehr als 47 Mrd. US-Dollar. Das Team deckt die folgenden Bereiche ab: Anlagemanagement, Makroanalyse & Asset Allocation, Research, Kundenlösungen und Umsetzung. Es stützt sich dabei auf die operative Infrastruktur von Fidelity, arbeitet in den Hauptanlageklassen mit den Bottom-up-Investmentteams von Fidelity zusammen und nutzt deren umfangreiches globales Research.
Weitere Informationen zu Strategien und Services von Fidelity Solutions & Multi Asset erhalten Sie bei Ihrem lokalen Ansprechpartner bei Fidelity.
Asset Allocation
Asset Allocation Mai 2023
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Druck im Bankensystem erhöht Konjunkturrisiko
Weiterhin Vorsicht angebracht, wobei Aktien aus Schwellenländern Chancen biet…
From the top down: Capital market assumptions in the climate crisis
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