Mit klaren Regeln will die EU den Markt für nachhaltige Geldanlagen transparenter machen und dem Greenwashing einen Riegel vorschieben. Dafür hat die EU-Kommission jetzt einen Kriterienkatalog für nachhaltige Finanzprodukte vorgestellt. Was sich durch die neue Taxonomie ändert. Ab wann sie greift. Und warum sie das Geschäft mit grünen Investments fundamental verändern wird.

Wann ist eine Kapitalanlage nachhaltig? Lange gab es auf diese Frage keine vernünftige Antwort. Denn der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist weder geschützt noch war er präzise definiert. Investoren blieb nichts anderes übrig, als Produktbeschreibungen und Prospekte selbst zu analysieren, um sich ein Bild vom genauen Nachhaltigkeitsprofil einer Anlage zu machen – ein mühsamer und zeitaufwendiger Prozess.

Aber das wird sich nun ändern. Denn nach langem und zähem Ringen hat die EU-Kommission im Dezember einen Kriterienkatalog vorgestellt, der Investoren im ESG-Dschungel mehr Orientierung bieten kann. Nach dem Prinzip einer Taxonomie sortiert die EU nachhaltige Geldanlagen künftig in drei verschiedene Kategorien: „Zero Carbon“ (Nullemission) für uneingeschränkt grüne Investments. „Transition“ (Übergang) für Produkte, die zwar Emissionen verursachen, deren CO2-Ausstoß jedoch im Branchenvergleich niedrig ist. Und schließlich „Enabling“ (Erleichtern) für Anlageformen, die es anderen Menschen ermöglichen, ihren CO2-Ausstoß zu senken. Letzteres trifft zum Beispiel auf Betreiber von Windparks zu, aber auch auf Gasproduzenten, weil sie Alternativen zum Kohlestrom liefern.

Vergleichbarkeit erhöhen

Die neue Taxonomie schafft nicht nur einheitliche Kriterien für nachhaltige Anleger. Sie wird auch die Transparenz im Markt deutlich erhöhen. Denn Unternehmen mit Sitz in Europa und mindestens 500 Angestellten müssen voraussichtlich schon ab dem Jahr 2021 offenlegen, inwiefern sie Kriterien genügen, die sie nach dieser Taxonomie für eine der drei Klassen qualifizieren. Voraussetzung dafür ist auch die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts gemäß der aktuellen CSR-Richtlinie.

Fondsmanager mit Sitz in der EU müssen künftig nicht nur den Anteil ihrer Portfolios offenlegen, der in nachhaltige Aktivitäten im Sinne der Taxonomie investiert. Sie müssen auf ihrer Webseite außerdem auf potentiell negative Auswirkungen ihrer Investments auf Umwelt und Gesellschaft hinweisen. Dabei können sie sich zwar auch weiterhin gegen einen nachhaltigen Ansatz nach den EU-Kriterien entscheiden, müssen das dann aber klar in ihren Unterlagen kennzeichnen. Außerdem dürfen sie in diesem Fall künftig nicht mehr mit dem Prädikat „nachhaltig“ werben. Wer im Sinne der Taxonomie investiert, muss wiederum offenlegen, mit welcher Methodik er sicherstellt, dass Positionen im Portfolio dauerhaft den EU-Kriterien genügen. So will Brüssel nachhaltige Geldanlagen besser vergleichbar machen.

Gefahr von Greenwashing

Der Bedarf dafür ist groß: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Anlageprodukte mit dem Nachhaltigkeits-Label stark gestiegen. Die Fondsratingagentur Morningstar zählt inzwischen mehr als 2.400 in Europa zugelassene ESG-Fonds, die versprechen, ökologisch oder ethisch korrekt zu investieren. Allein 2019 flossen diesen Produkten rund 120 Milliarden Euro an Anlegergeld zu. Da bislang aber noch keine klaren Regeln oder gemeinsamen Auffassungen darüber existieren, was die Produkte konkret auszeichnet und was dort nicht sein darf, tummeln sich auf dem Markt auch Fonds, die letztlich alles andere als „grün“ sind.

Milliardenprojekt Green Deal

Damit die EU ihre klimapolitischen Ziele erreichen kann, muss das Kapital aber tatsächlich in die Unternehmen fließen, die sich dafür engagieren. Das macht die Taxonomie zu einem Baustein eines viel größeren Plans. Denn die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ehrgeizige Pläne. „Ich will, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt bis 2050 wird“, sagte sie im Dezember 2019. Ihr „Green Deal“ sieht eine Abkehr von Kohle, Öl und Gas vor sowie den umweltfreundlichen Umbau von Wirtschaft, Landwirtschaft, Verkehr und privater Energienutzung. Die EU-Kommission schätzt den Investitionsbedarf dafür auf rund 180 Milliarden Euro pro Jahr. Die Hälfte davon soll aus dem EU-Haushalt kommen. Den Rest sollen Investoren stemmen, indem sie Geld in Projekte und Unternehmen investieren, die den Klimawandel bekämpfen, die Umwelt schonen oder den Abfall reduzieren.

Gütesiegel für Green Bonds

Die EU-Taxonomie ist also ein wichtiger Schritt, um Geld in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie setzt dazu auch Standards für die Herausgabe von Green Bonds. Dazu gehören Anleihen von Staaten, Banken oder Unternehmen, die nachhaltige Projekte finanzieren und damit einen positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben sollen. Derzeit sind etwa 250 Milliarden US-Dollar in grünen Anleihen investiert1. Das sind laut der Climate Bonds Initiative etwa vier Prozent des globalen Anleihemarkts. Das Volumen steigt – und damit auch hier die Gefahr von Greenwashing. Künftig müssen sich daher alle in der EU zugelassenen Green Bonds einer externen Prüfung unterziehen, ob sie den EU-Kriterien an nachhaltige Investments genügen. Die EU-Taxonomie berücksichtigt hier bestehende Standards wie das Gütesiegel der Climate Bonds Initiative. Green Bonds, die bereits eine Zertifizierung eines anerkannten Instituts tragen, sollten also auch das neue EU-Siegel ohne größere Schwierigkeiten erhalten können.

1248 Mrd. US-Dollar lt. https://www.climatebonds.net/resources/reports/2019-green-bond-market-summary

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