Die Nachfrage ist stärker als die Börsenentwicklung
„COVID-19 und die Unterbrechung der Lieferkette haben die Technologieentwicklung angeschoben, gerade in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und hybrides Arbeiten“, fasst Hyun Ho Sohn eine wichtige Erkenntnis seiner Reise zusammen. „Unternehmen müssen in Technologie investieren, um sich in hybriden Arbeitsumgebungen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Und sie müssen Prozesse automatisieren, um Lieferrisiken zu verringern.“ Davon sollten die Bereiche Cloud, Sicherheit, Datenanalyse und Hardware für hybrides Arbeiten besonders profitieren. Amazon etwa setzt mit seinem AWS-Cloud-Geschäft auf die Cloud – gerade vor dem Hintergrund des langfristigen Trends hybriden Arbeitens.
Trotz des makroökonomischen Gegenwinds halten sich die Ausgaben für Rechenzentren und Clouds in Grenzen, sagt Hyun Ho Sohn: „Unser Treffen mit Marvell Technology verdeutlichte die Verlagerung hin zu Rechenzentren.“ Stichwort Halbleiterbranche: Die Gesprächspartner sehen in Elektrofahrzeugen einen wichtigen langfristigen Treiber für die Chipnachfrage. Im Jahr 2021 waren nur knapp 10 % der weltweit verkauften Fahrzeuge Stromer. Tendenz schnell wachsend – das Wachstumspotenzial ist riesig, wenn die weltweite Autoflotte umgestellt wird.
Die Nennung von Einzeltiteln dient ausschließlich der Illustration und ist nicht als Kauf- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen.
In einigen Sektoren schwächt sich die Konjunktur ab
Zoom, E-Commerce, Streaming-Abonnements: Sie haben mit den Lockdowns einen Wachstumsschub erlebt, doch die Nachfrage schwächt sich ab. Die Menschen geben ihr Geld wieder stärker für Dienstleistungen rund um Aktivitäten und Erlebnisse aus. Auch die Aufträge aus der Unterhaltungselektronik gehen zurück: Waren deren Produkte in der Coronazeit weit oben auf den Wunschzetteln der Verbraucher, hat sich der Trend jetzt umgekehrt.
Mehr Bandbreite, mehr Rechenpower – neue Technologien sind gefragt
„In mehreren Gesprächen wurde deutlich, dass wir uns erst in den Anfängen der Cloud-Umstellung befinden“, sagt Hyun Ho Sohn. Der Grund sind beschränkte Bandbreiten bei Netzwerken. „Vor diesem Hintergrund ist Intel von CXL überzeugt“, berichtet er, „denn der neue Standard für Speicherverbindungen bietet aufregende Möglichkeiten.“ Er könnte zum einen die Speicherbandbreite von Servern drastisch erhöhen – das ist gut für Speicherchips und Cloud-Dienste. Zum anderen könnte er die Rechenkapazität massiv steigern – zur Freude der Rechenzentrumsbetreiber. Die Technologie läuft auch über bestehende physische Schnittstellen. Das dürfte es den Kunden erleichtern, CLX in den nächsten Jahren zu übernehmen.
Ungelöste Probleme in der Lieferkette, langfristig positives Gesamtbild
Probleme in der Versorgungskette sind derzeit vor allem im Halbleiterbereich weit verbreitet. TMSC hat seine Lieferungen daher spürbar verringert. „Doch der kurzfristige Gegenwind ändert nichts an der langfristig positiven Großwetterlage“, zieht Hyun Ho Sohn ein Fazit aus seinen Gesprächen. LAM Research schätzt beispielsweise: Die Halbleiterbranche wird bis zum Ende des Jahrzehnts weiterwachsen. Dazu wird aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin viel Kapital gebraucht – denn die benötigten Chips werden immer komplexer.
Preise setzen, Erträge sichern: ein entscheidend wichtiges Thema
Wer höhere Preise durchsetzen kann und eine starke Bilanz mitbringt, hat die Nase vorn: Das gilt angesichts hoher Inflation und schwankender Märkte mehr denn je. „In vielen Gesprächen ging es auch um Gewinnspannen und Rentabilität – und um Preissetzungsmacht“, sagt Hyun Ho Sohn. Halbleiterunternehmen haben eine starke Position bei Preisverhandlungen: Ihre Produkte sind Herzstücke der meisten innovativen, neuen Technologien. Softwareunternehmen haben oft inflationsindexierte Verträge. Plattformanbieter berechnen meist eine prozentuale Gebühr für die verkauften Produkte und Dienstleistungen. Ihre Erträge wachsen daher im Gleichklang mit den Umsätzen ihrer Kunden.
Die aktuelle Bewertung birgt attraktiven Chancen
Verwerfungen, Überreaktion, kurzfristige Turbulenzen: Das kann günstige Kaufgelegenheiten für Anleger eröffnen, die auf fundamentale Kennzahlen achten. Denn die Bewertungen sind attraktiv: Branchenführende Technologiefirmen werden zu niedrigen Multiplikatoren gehandelt. Doch ihr langfristiges Wachstumsprofil ist unverändert.
„Nach meinen Gesprächen im Silicon Valley bin ich weiterhin überzeugt von bestimmten wachstumsstarken Softwareanbietern“, sagt Hyun Ho Sohn. Bestärkt hat ihn etwa der Austausch mit Zoom und mit Zendesk, einem Anbieter von Kundenservice-Software. „Ich sehe Chancen bei innovativen Softwareprodukten, die sich in einem frühen Stadium der Marktdurchdringung befinden. Viele haben erst einen Teil ihres Marktpotenzials erschlossen,“ sagt Hyun Ho Sohn, „und sie werden zu niedrigen Multiplikatoren gehandelt. Insgesamt rechne ich im Softwarebereich mit mehr Fusionen und Übernahmen. Viele kleinere Unternehmen mit attraktiven Vermögenswerten sind angesichts des jüngsten Ausverkaufs deutlich günstiger zu haben.“
Fazit
Hyun Ho Sohn blickt positiv auf seine Reise durch das Silicon Valley zurück. „Die langfristigen Treiber der Nachfrage im Technologiesektor bleiben intakt. Die technologischen Anwendungen sind bei Verbrauchern, Unternehmen und im öffentlichen Sektor fest verankert. Sie bieten ihnen vielfältige Mehrwerte, das kann nicht zurückgedreht werden.“
Darüber hinaus zeichnen sich viele Geschäftsmodelle in der Tech-Branche durch wiederkehrende Einnahmen, hohe Preissetzungsmacht und gesunde Bilanzen aus. Das sind wichtige Faktoren, um ein unbeständiges Umfeld zu überstehen. Wo sieht Hyun Ho Sohn mit Blick auf die nächsten drei bis fünf Jahre die Hauptchancen? „Weiterhin in den Bereichen Cloud, Datenanalyse, Sicherheit, Elektrofahrzeuge und Fabrikautomation“, sagt er.