
Sie sind noch kein Fidelity Kunde?
Eröffnen Sie zunächst ein FondsdepotPlus. Danach können Sie aus unseren Fonds und ETFs Ihre Favoriten wählen.
Sie sind bereits Fidelity Kunde?
Melden Sie sich in Ihrem Depot an, um Fondsanteile zu ordern oder Ihren Sparplan anzulegen oder anzupassen.
Themen & Märkte
Themen im Fokus
Veranstaltungen & Web-Seminare
Veranstaltungen & Web-Seminare
Finanzwissen für Privatanleger Web-Seminare für Professionelle Anleger
Wissen
Anlageziele bestimmen
Anlageziele bestimmen
Die eigene Lage analysieren Bestandsaufnahme Geldanlage nach Lebensphasen Mit Risiken umgehen
Portfolio ausbauen
Geldanlage mit Fonds umsetzen
Geldanlage mit Fonds umsetzen
Ein Depot managen Fonds & ETFs Vermögensverwaltung Sparplan
Werkzeuge für Anlageerfolg nutzen
Über uns
Fidelity International
Fidelity International
Unternehmen Nachhaltigkeit Presse Karriere bei Fidelity Das Fidelity Team
Professionelle Anleger
Vertriebspartner
Vertriebspartner
Übersicht Fonds Im Fokus Web-Seminare Fondspreise & Wertentwicklung My Fidelity
Institutionelle Anleger
Institutionelle Anleger
Übersicht Anlagestrategien Anlagethemen Insurance Solutions Klimawandel und Biodiversität Asien: Neuanfänge
Betriebliche Vorsorge
Betriebliche Vorsorge
Übersicht bAV News FondsPensionsplan Zeitwertkonten Kapitalanlage Insolvenzsicherung Globale Vorsorgestudien
Themen & Lösungen
Home Fidelity Articles Themen im Fokus
Was die Blockchain-Revolution wirklich bedeutet

Carsten Roemheld - Kapitalmarktstratege Fidelity International
3. November 2021
Die Zukunft der Blockchain — Teil 1: Wie smarte Verträge unser Leben revolutionieren
Kryptowährungen sind erst der Anfang. Schon bald wird die Blockchain-Technologie unser Wirtschaftsleben radikal verändern, sagt Digital-Expertin Isabell Welpe. Im Podcast mit Fidelity Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld erklärt sie, wieso das Web 3.0 wieder dezentral organisiert wird. Warum die neue Basistechnologie Produzenten und Dienstleister wieder in direkten Kontakt mit Kundinnen und Kunden bringt. Und warum das ein revolutionärer Akt ist.
Die Zukunft der Blockchain — Teil 2: Warum neue Anlageklassen für alle entstehen
Die Blockchain-Technologie demokratisiert den Zugang zu Vermögensgegenständen und macht Konsumentinnen und Konsumenten zu Miteigentümern. Im zweiten Teil unseres Podcasts zur Zukunft der Blockchain spricht die Digital-Forscherin Isabell Welpe mit Fidelity Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld über die Kraft der Tokenisierung, den neuen Wettbewerb zwischen Staaten und Chancen für Europas Tech-Konzerne.
Transkript zum Podcast — Teil 1
Fidelity Podcast
Thema: Die Zukunft der Blockchain: Wie smarte Verträge unser Leben revolutionieren — Teil 1
Carsten Roemheld: Wer Blockchain sagt, sagt im selben Satz meistens Bitcoin. Dabei steckt hinter der Technologie viel mehr als ein Werkzeug für Kryptowährungen. Es geht um den nächsten großen Technologiezyklus, eine Revolution der Art und Weise, wie unsere Wirtschaft funktioniert.
Das sagt Professor Dr. Isabell Welpe. Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin und hält einen Lehrstuhl für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München. Frau Prof. Welpe gehört außerdem dem Vorstand des „Center for Digital Technology and Management“ an und ist Mitglied im „Münchener Kreis“, einer der führenden deutschen Plattformen für „Gestalter und Entscheider in einer digitalen Welt“.
Was können wir von der Blockchain erwarten, was passiert gerade jetzt und wieso sprechen viele von einem neuen dezentralen Zeitalter im Internet?
Spätestens in fünf Jahren, sagt Welpe, werden wir die Veränderungen überall sehen: Los geht es im Finanzbereich und bei digitalen Gütern. Dann aber geht es irgendwann auch um Kunstwerke, den Gang zum Amt, die Bahnfahrkarte oder den Kauf einer Eigentumswohnung.
Kurzum: Die Blockchain-Technologie wird schon bald den Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Rechten und Geld komplett verändern. Das Überraschende dabei: Zu den Gewinnern dieser virtuellen Technologie werden vor allem jene zählen, die ganz reale Vermögensgegenstände produzieren und geistiges Eigentum erschaffen.
Melden Sie mir gern zurück, was Sie von Isabell Welpes optimistischen Zukunftsentwürfen halten. Ich freue mich auf den Austausch. Jetzt aber erst einmal viel Hörvergnügen bei Teil 1 unseres Blockchain-Podcasts.
Carsten Roemheld: Frau Professor Welpe, es ist sehr schön, dass Sie heute bei uns sind. Vielleicht können wir zur Einleitung eine kurze Einordnung der heutigen Thematik vornehmen, da wir nicht unbedingt davon ausgehen können, dass alle Hörer schon einen detaillierten Wissensstand in dem heutigen Themenbereich haben. Blockchain wird ja in der Diskussion häufig gemeinsam mit Bitcoin in Verbindung gebracht. Ist der Kern der Blockchain-Technologie also derzeit eine neue digitale Form der Währung oder ist das nur eine verzerrte Wahrnehmung?
Isabell Welpe: Also die erste Implementierung der Blockchain-Technologie geht auf Bitcoin zurück. Seitdem hat sich die Technologie auch in Form von Kryptowährung etabliert. Der Kern ist aber eine neue, dezentrale Datenhaltung. Und Anwendungsfälle der Blockchain gehen weit über Kryptowährungen hinaus. Also zum Beispiel zur Nachverfolgung von Lieferketten, sicherer Datenspeicherung und Verarbeitung, zum Beispiel im Medizinbereich oder wie gerade stark ansteigend zur Sicherung von “Intellectual Property”, von digitalen, einzigartigen Vermögenswerten wie zum Beispiel Kunst.
Bestimmt haben einige der Hörerinnen und Hörer das Stichwort „NFT“ schon mal gehört. Und insofern, um auf Ihre Frage zu antworten, ist es schon eine verzerrte Wahrnehmung. Denn neben dem Bitcoin als „Proof of Work Blockchain“, die ja in erster Linie Wert speichert und auch als Zahlungsmittel genutzt werden könnte, gibt es eine Vielzahl an weiteren Blockchains mit abweichenden Eigenschaften und auch Anwendungsszenarien, die ganz maßgeblich zum Aufbau des Internets und von Industrien führen werden.
Zwei Beispiele: Also wir sehen eine Menge disruptive Innovationen im Bereich der Finanzindustrie, dezentralisierte Börsen, “Decentralized Finance”, kurz DeFi genannt, und auch die sogenannte „Creator Economy“, die Ökonomie, auf die wir meines Erachtens zugehen, eine dezentrale Ökonomie, in der viel mehr Menschen miteinander in Kontakt kommen und Geschäfte machen, braucht eine solche Technologie als Grundlage. Und man sieht aktuell sicherlich den Boom auch der NFTs im Bereich der Kunst, Musik, digitale Collectibles; so wie früher die Fußball-Panini-Bildchen, das ist heute alles auch vorhanden, aber eben in digitaler Form.
Carsten Roemheld: Und genau deshalb wollen wir uns heute ausführlich mit der Blockchain beschäftigen und nicht unbedingt mit den Kryptowährungen, obwohl die ja im Moment auch in aller Munde sind, weil sie gerade neue Höchststände markieren. Aber Sie haben es völlig richtig erwähnt. Die revolutionärere Wirkung geht wahrscheinlich von der Blockchain aus als von den Kryptowährungen selbst. Und das ist also viel mehr als nur eine Kryptowährung. Betrachten wir mal den Status quo: Wie blicken denn aktuell Experten heute auf die Blockchain-Technologie? Wo ist sie besonders stark? Wo ist sie hilfreich? Wo ist ihr Einsatz besonders vielversprechend oder erfolgversprechend?
Isabell Welpe: Also Technologie bewegt sich ja in der Regel in Wellen. Wir hatten im Bereich der IT-Industrie zunächst die Welle der Hardware, die Firma IBM, dann hatten wir die Welle der Software mit dem Aufsteigen der Firma Microsoft. Dann kam die Welle der Plattform-Unternehmen, in der wir auch heute noch sind, also von Google, Facebook, die Plattform-Unternehmen, die auch mit Daten-Silos, also zentralisierter Datenspeicherung, arbeiten. Und die nächste Welle wird aller Voraussicht nach eine Blockchain-basierte sein.
Die dezentrale Ökonomie erlaubt, also in der nicht mehr die Plattform-Unternehmen Daten zentral speichern, sondern in dem Daten, Informationen, Rechte dezentral verteilt werden. Und wenn man sich jetzt fragt: Was ist eigentlich das Innovative an der Blockchain-Ökonomie? Die wird übrigens auch Web 3.0 genannt. Also Web 1.0 war, dass man lesen konnte, konnte man also eine Webseite lesen. Web 2 war, dass man lesen und auch selber schreiben konnte, also eine Webseite ins Netz stellen. Und Web 3, was jetzt kommt, das ist das Blockchain-basierte Web 3, das wird zum Lesen und Schreiben noch die Funktion „Ausführen“ haben in Form von sogenannter „kluger Verträge“ oder Smart Contracts.
Und die Innovationen der Blockchain lauten: Einmal man kann die Intermediäre loswerden. Also im Moment ist es ja so, dass vor allem die Firmen erfolgreich sind, die gar nicht unbedingt selber etwas kreieren und herstellen. Wir sehen, dass die digitalen Stars unserer Zeit eigentlich nur erfolgreich waren, sich an die Poleposition der Nutzerinnen und Nutzer oder Kundinnen und Kunden zu setzen, aber selber eigentlich gar nichts herstellen. Also zum Beispiel die Firma Uber, sehr erfolgreiches Transportunternehmen, stellt aber gar keine Autos her. Oder die Firma Airbnb hat eine höhere Marktkapitalisierung als die Hilton-Hotelkette, aber die besitzt gar kein Wohneigentum und sie hat auch gar nicht selber gebaut.
Also man könnte fast sagen, die heutige Ökonomie benachteiligt die, die Werte schaffen, die etwas herstellen, die etwas kreieren, auf Kosten derer, die sich das dann zunutze machen und an die Kunden bringen. Und die Blockchain-Ökonomie verspricht eben, genau das zu beseitigen und diejenigen, die etwas originär herstellen, also wenn sie so wollen: die Künstler, diejenigen, die Intellectual Property haben, die Forscher, die Unternehmen, die produzieren, in direkten Kontakt ohne Intermediär mit Nutzerinnen und Nutzern und Kundinnen und Kunden zu bringen. Und das ist natürlich revolutionär, wenn das passiert, und wird viele, viele Geschäftsmodelle auf den Kopf stellen.
Besonders interessant ist dabei eben die Möglichkeit, sozusagen automatisiert Zahlungen auszulösen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Im Moment haben wir ja viele Intermediäre, die kontrollieren müssen; zum Beispiel, wenn eine Waschmaschine kaputt ist und die repariert wurde, dann überweisen wir das Geld und vielleicht ist sie am nächsten Tag wieder kaputt. Und dann muss man wieder anrufen und dann muss jemand wiederkommen. Und man könnte zum Beispiel zusammen mit Sensoren dahin kommen, dass der Sensor misst, ist die Waschmaschine repariert, läuft sie und das Geld wird dann erst überwiesen.
Oder mein Lieblingsbeispiel, das mir kam, als ich Bahn gefahren bin und die Bahn stark verspätet war, die Klimaanlage nicht ging und es auch für einen Teil der Strecke keinen Service gab …
Carsten Roemheld: Ganz überraschend, ja!
Isabell Welpe: … mein Ticket … ja, ganz überraschend! Ich war auf dem Weg zu einem Blockchain-Vortrag den ich halten sollte. Und ich habe einen Ticketpreis von 110 € oder so bezahlt und der blieb natürlich gleich. Und wie viele andere auch, bin ich nicht am Abend, als ich dann spät wieder in München ankam, an den Bahnschalter gegangen und habe gesagt: Schauen Sie mal, kriege ich jetzt Geld zurück, weil, ne, ich habe ja eigentlich für was anderes bezahlt?! Das machen viele nicht, weil es auch gar nicht klar ist, ob man Geld zurückkriegt und weil es mühsam ist, weil man müde ist, weil es viel Zeit kostet.
Aber wenn Sie einen Blockchain-Vertrag hätten, der so gestaltet sein könnte, dass Sie sagen, also Sie bezahlen, aber für jede Minute, die die Bahn verspätet ist, das kann man ja leicht messen, wird ein bestimmter Betrag zurückerstattet; und wenn der Speisewagen nicht funktionstüchtig ist, auch ein bestimmter Betrag, und wenn die Klimaanlage nicht geht, und dann wäre das Geld, wenn Sie ankommen am Zielort, quasi schon wieder rückerstattet, ohne dass Sie Transaktionskosten hätten. Also das sind eigentlich schöne Gedanken, wie man sozusagen Dienstleistung und Miteinander-Geschäfte-Betreiben verbessern könnte durch diese Technologie.
Carsten Roemheld: Wunderbare Gedanken. Ich finde es ganz toll, wie Sie es jetzt beschrieben haben. Auch die Anwendungsgebiete, vor allen Dingen auch die Plattformen versus denen, die Content kreieren. Das dürfte den Plattformen nicht besonders gefallen, was sie da gerade beschrieben haben, das könnte nämlich vieles überflüssig machen. Also fälschungssichere Speicherung von Daten, die man direkt ohne Mittelsmänner tauschen kann, klingt nach einer wunderbaren Idee. Glauben Sie, dass die Blockchain die Welt ähnlich stark revolutionieren wird wie das Internet oder ist es eher ein Werkzeug und keine Basis-Technologie?
Isabell Welpe: Ja, doch, ich glaube sogar noch viel mehr, weil … also der Kern von Wirtschaften sind ja schon Wirtschaftstransaktionen und Informationen. Das Internet, das wir heute kennen, das hat ja Informationen demokratisiert und zugänglich gemacht. Aber das Blockchain-Internet verspricht eben darüber hinaus, das Versenden von Geld und geldähnlichen Gütern und Rechten, also Gebrauchsrechte, Verfügungsrecht, so einfach zu machen, wie das Versenden einer E-Mail heute ist.
Ich kann heute Ihnen meine Präsentation schicken und ich sage auch — was eigentlich grammatikalisch falsch ist —, ich schicke Ihnen nachher meine Präsentation. Was ich natürlich schicke, ist eine Kopie meiner Präsentation, weil ich behalte ja die Präsentation auch selber, und das ist bei Informationen unproblematisch.
Aber wenn ich Ihnen jetzt Geld schicken würde, ne, ich schicke Ihnen 50 € und ich behalte die 50 €, dann habe ich ein Problem, dann habe ich Geld geschöpft. Und genauso, wenn ich Ihnen mein Grundstück verkaufe, aber gleichzeitig das Grundstück behalte. Und bislang gab es dafür, also vor dieser Innovation, gab es dafür keine Lösung. Und das war der Grund, warum wir dann zum Notar gehen müssen und Banken involviert sind in solche Geschäfte. Und das Versprechen lautet, dass man zukünftig eben auf ähnliche einfache Weise Rechte quasi per E-Mail schicken und übertragen kann ohne Intermediäre. Und das ist schon für die Wirtschaft sehr bedeutsam.
Carsten Roemheld: Das ist eine Revolution, kann man tatsächlich sagen.
Isabell Welpe: Ja, das ist so, weil das ist ja der Kern von Geschäftsmodellen.
Carsten Roemheld: Jetzt wäre meine nächste Frage mal nach dem Timing des Ganzen. Ich weiß, dass einiges im Hintergrund schon läuft und dass die Blockchain natürlich schon auf ihre Anwendungsmöglichkeiten jetzt getestet wird. Aber wann ist es so weit, dass dieses Modell richtig groß wird? Welche Technologien gibt es eigentlich bei der Blockchain? Welche unterschiedlichen und wie muss man sich das vorstellen? Kann sie da vieles gleichzeitig durchsetzen oder wird es dann auch auf eine Technologie hinauslaufen? Wie können wir uns das vorstellen?
Isabell Welpe: Also wie beim Internet auch: Es gibt ja schöne Vergleiche, wenn man jetzt die Anzahl der Internetnutzer mit der Anzahl von Paypal-Konten und der Anzahl von sogenannten „Wallet“, also digitale Geldbörse ist ein Wallet, -Besitzern vergleicht, dann sieht man zwei Dinge. Einmal, dass die Adoption schneller verläuft im Blockchain-Bereich, als es beim Internet der Fall war oder auch selbst bei Paypal. Und, dass wir ungefähr, wenn man das vergleicht, im Jahr 1997/98 sind des Internets. Und wer sich daran erinnern kann: Es gab das Internet 97/98, aber so richtig beeindruckt war da niemand davon, dass man mit Yahoo – weil es gab ja kein Google — mit Yahoo halt irgendwas suchen konnte und dann hat die Webseite langsam geladen und das war eine Spielerei, aber keiner hat gedacht, dass das jetzt besonders revolutionär sein würde.
Und wir haben dann gesehen, was in den Folgejahren mit der Gründung von Firmen wie Google, Amazon, Facebook und anderen entstanden ist, die heute ja die wertvollsten Firmen der Welt darstellen. Und in ähnlicher Weise würde ich das erwarten für neue Wettbewerber, die mittels der Blockchain-Technologie in den Wettbewerb treten und mithilfe der Technologie die „Pain Points“, die uns heute stören, an den Plattform-Firmen adressieren.
Und was stört uns denn eigentlich an den Plattformen? Ja, zum einen, dass die Geschäftsmodelle auf dem Durchsuchen persönlicher Daten basiert sind; also jede E-Mail, die mit Gmail geschickt wird, die wird durchsucht, dem haben wir zugestimmt. Und das möchte man vielleicht nicht unbedingt. Das ist vielleicht alternativlos im Moment, aber sobald Alternativen vorhanden sind, ist das etwas, was man vermeiden möchte.
Und es ist auch das Thema Datensicherheit. Es könnte ja auch, wenn Daten zentral verwahrt werden, da ein Datenleck sein oder eine Firma könnte in nicht so guter Absicht auch Daten auswerten in einem Sinne, dass man es gar nicht möchte. Und man hat ja selber keinerlei Rechte mehr an den Daten. Und das sind alles Dinge, die mithilfe einer Blockchain-Technologie adressiert werden könnten.
Und es kommt noch ein vielleicht für Deutschland und Europa besonders interessanter Punkt dazu. Also, wir haben ja eine gewisse Schizophrenie, was Datenschutz angeht. Wenn Sie Leute fragen, sagen die: Das ist total wichtig, Datenschutz über alles. Wenn Sie dann gucken, wo Leute aus Deutschland und Europa Kundinnen und Kunden und Nutzerinnen und Nutzer sind, dann sehen Sie, dass die Nutzung von Gmail, die jetzt nicht für Datenschutz stehen , oder Dropbox viel höher ist als zum Beispiel in den USA. Also zwischen Worten und Handeln, also Konsumhandeln, ist eine große Kluft, die es jetzt heimischen Unternehmen nicht gerade leicht macht, zu konkurrieren.
Und die Blockchain erlaubt insofern einen „best of both worlds“, weil zum einen eben Datensicherheit möglich ist und gleichzeitig trotzdem die Nutzung der Daten, um Angebote zu personalisieren und zu individualisieren, und zwar durch Pseudonymisierung. Als Beispiel genannt: Normalerweise, wenn ich jetzt Alkohol kaufen will, muss ich, oder wenn ich mich bei einer Bank ausweisen will, da mache ich ein Foto von meinem Personalausweis und lad das hoch. Und da sind ja auch Infos dabei, die will ich vielleicht gar nicht gespeichert haben. Also wenn ich jetzt irgendwo eine Flasche Wein kaufen will, ne, dann klar, wollen die wissen, bin ich über 18, aber wo ich wohne, wie groß ich bin, wo ich geboren bin, geht eigentlich keinen was an, müssen die nicht wissen.
Und im Blockchain-Bereich wäre es dann eben möglich, dass sozusagen gecheckt wird, ist Frau Welpe über 18, dann kommt da ein Haken hin und ich habe die Berechtigung, ohne dass jetzt meine Daten zentral gespeichert werden müssen. Und das könnte für Europa interessant sein, weil es eben so viel Wert auf Datenschutz legt.
Carsten Roemheld: Mit Sicherheit. Aber noch mal kurz die Frage nach dem Timing: Wann glauben Sie, wird das Ganze so richtig Fahrt aufnehmen, auch für uns spürbar zu einer Veränderung führen?
Isabell Welpe: Ja, also ich finde es plausibel, dass wir zwischen den Jahren 97/98 sind. Und wann hat das Internet so richtig Fahrt aufgenommen? Also es gab sicher einen Schub 2004/2005 und dann ging es weiter. Also es spricht doch einiges dafür, dass diese Entwicklung noch mal schneller und dynamischer ist. Ich würde erwarten, dass wir spätestens in fünf Jahren sehen sozusagen, welche Veränderungen, welche … vielleicht zuerst im Finanzbereich und in den Bereichen, die jetzt mit digitalen Gütern zu tun haben, dass man dort bereits in fünf Jahren große Veränderungen sehen wird.
Carsten Roemheld: Und darauf wollen wir natürlich besonders eingehen, weil der Finanzbereich für unsere Hörer und uns selbst natürlich am interessantesten und wichtigsten vielleicht erscheint. Wann brauchen wir in Zukunft keine Banken mehr, keine Versicherer mehr, vielleicht keine Asset Manager oder keine Notare mehr? Geht das so schnell voran, wie wir das jetzt besprochen haben oder wird diese Entwicklung noch ein bisschen länger auf sich warten lassen?
Isabell Welpe: Also wie beim Internet auch wird es darauf ankommen, wann es eine benutzerfreundliche App oder Benutzeroberfläche gibt. Das war ja der Durchbruch fürs Internet auch, war der Netscape-Browser, weil er so angenehm zu bedienen war. Und diejenigen von unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, die im Moment sich in dem Bereich bewegen, wissen: Also da ist nichts bequem dran im Moment; da Geschäfte zu machen. Und das ist sicherlich nicht Massenmarkt-tauglich im Moment, mit verschiedenen „Online Wallets“ zu hantieren und von der „Binance Chain“ zu einer anderen Chain zu wechseln. Das ist etwas sehr Technisches, was noch nicht bequem ist oder nutzerfreundlich ist.
Aber es wird ganz sicher Unternehmen geben, die daran arbeiten, und in irgendeinem Unternehmen wird dann auch so ein Durchbruch gelingen, wie Netscape ihn hatte, in dem es ganz einfach und bedienerfreundliche Möglichkeiten geben wird, sich diese Technologien zunutze zu machen.
Ich glaube, dass es weiter Banken und Versicherungen geben wird; zumindest Firmen, Organisationen, die diese Funktion anbieten. Wir sehen ja auch, dass Coinbase einen überaus erfolgreichen IPO hatte, und es sind viele Stellen im Finanzbereich auch offen und ausgeschrieben im Bereich Blockchain, einer der am stärksten nachgefragten Skills auch.
Und die Frage ist eher, ob die etablierten Akteure in der Finanzindustrie, ob die diesen Wandel selber an sich mit vollziehen können und sich anpassen können daran. An das Potenzial, das diese neuen Technologien haben, um Kundinnen und Kunden besser bedienen zu können — ob sie das sozusagen schaffen, das ist ja eine große Veränderung, bei der man Systeme aus der Vergangenheit hat, die neue Wettbewerber nicht haben und die so eine Anpassung sicher auch erschweren. Ja, ich meine Versicherungen, ich meine, man braucht auch im digitalen Bereich Versicherungen gegen alles Mögliche: Diebstahl, Verlust von den „Digital Coins“, Verlust von „Private Keys“ und all diesen Dingen. Also Versicherungscoins gibt‘s jede Menge und denen geht‘s auch ganz gut.
Carsten Roemheld: Ja, ich denke auch, dass man natürlich auch in der Finanzbranche sich sehr wohl über diese Entwicklung Gedanken machen muss, um sie anzunehmen und damit auch sozusagen zu leben in Zukunft und Geschäftsmodelle anzubieten, die das einbeziehen.
Herzlichen Dank, Frau Welpe, für diesen so begeisterten und visionären Blick in die mögliche Zukunft unseres Wirtschaftslebens. Im zweiten Teil sprechen wir dann darüber, wie die Blockchain unsere Rolle als Staatsbürger verändern kann, was China eigentlich von so einer kaum zu kontrollierenden Technologie hält und warum Konsumenten immer häufiger zu Miteigentümern werden.
Wir hören uns, Ihr Carsten Roemheld.
Transkript zum Podcast — Teil 2
Fidelity Podcast
Thema: Die Zukunft der Blockchain: Warum neue Anlageklassen für alle entstehen — Teil 2
Carsten Roemheld: Die Blockchain-Technologie macht uns alle souveräner: als Staatsbürger, Konsumenten und Produzenten. Davon ist Prof. Isabell Welpe überzeugt, eine der führenden deutschen Forscherinnen für die Auswirkungen dieser brandneuen Technologie auf Wirtschaft und Gesellschaft. Welpe ist zudem Mitherausgeberin der Sammelbände „Der Blockchain-Faktor“ und „Die Zukunft ist dezentral“, die sich mit den radikalen Veränderungen befassen, die uns bevorstehen.
Im zweiten Teil unseres Podcasts spreche ich mit ihr über die Macht der dezentralen Steuerung. Darüber, warum Digitalisierung gar kein rein technologisches Phänomen ist, sondern ein Mittel zum Zweck für bessere Angebote zur Lösung individueller Probleme. Wir sprechen über eine Welt, in der man mit der Tasse Kaffee auch gleich einen Eigentumsanteil an dem Kaffeehaus erwirbt. Und Sie erfahren, was das alles mit der sogenannten Tokenisierung zu tun hat.
Viel Hörvergnügen beim zweiten Teil unseres Blockchain-Podcasts.
Carsten Roemheld: Jetzt kommen wir mal auf nicht unbedingt die Unternehmensebene, sondern vielleicht auch die Staatsebene: Sie haben ja in Ihrem Buch verschiedene Finanzexperten zu Wort kommen lassen, die auch die Technologie und die Wirkung auf die Gesellschaft untersucht haben. Und einer der Gastautoren, der Schweizer Politiker Martin Würmli, hat dabei die Frage aufgeworfen, ob der Nationalstaat in seiner heutigen Form überflüssig werden könnte. Wie sehen Sie das? Welche Veränderungen könnte das mit sich bringen? Weil ja tatsächlich einige Behörden, wie Sie auch vorhin schon gesagt haben, das Verwaltungssystem, zum großen Teil vielleicht einfach auch durch diese Technologie umgangen werden kann. Ist eine etwas zynische Frage oder eine etwas pointierte Frage: Müssen wir uns bald von der Bundesrepublik Deutschland verabschieden oder wie sehen Sie diese staatliche Entwicklung?
Isabell Welpe: Ich finde das ist eine total gute Frage von Ihnen, denn in der Tat: Es ist ja so, dass wir innerhalb der Wirtschaft Marktmechanismen haben, die auch oft gut funktionieren, aber Monopole ein Problem sein können. Und vielleicht fragen wir mal rhetorisch: Wer oder was ist denn das größte Monopol? Ist das Google? Ist das Amazon? — Ich würde sagen nein, das größte Monopol ist das für sie zuständige Kreisverwaltungsreferat. Denn dem entkommen Sie nicht, da müssen Sie hin, wenn Sie einen Personalausweis wollen. Und Sie haben keine Chance, zur Konkurrenz zu gehen, wenn Ihnen der Service da nicht gefällt. Und das ist eben so in staatlichen Strukturen.
Wir sind geboren in einem bestimmten Land und sind dann Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in dem Land. Und die Trends, die man erkennen kann, also einmal auch die, ich sage mal, die Vordenker-Trends und dann auch gestützt durch die technologischen Möglichkeiten der Blockchain-Technologie gehen ja alle in die Richtung, zu sagen, die nächste Stufe der Digitalisierung wird sein, dass eben staatliche und Verwaltungsinstitutionen mit erfasst werden und derart erfasst werden, dass eine “Marktisierung” stattfindet, indem sie, was jetzt nicht der Fall ist, in einen Wettbewerb gehen, und zwar in einen Wettbewerb um Bürgerinnen und Bürger.
Das ist ja eigentlich ein schöner Gedanke, wenn Sie jetzt innerhalb von einer Stadt halt zwischen Kreisverwaltungsreferaten wählen könnten, dann hätten die vielleicht auch einen Anreiz, bestimmte Dinge zu verändern oder es gäbe eine Art von Rückmeldung, was ja jetzt nicht der Fall ist. Oder auch zwischen Staaten. Also es gibt sozusagen die ausgesprochene Vision in einem Buch, das schon aus den 70er Jahren stammt und bislang die Entwicklung sehr gut vorhergesagt hat; das heißt, das „Sovereign Individual“, das souveräne Individuum, und die letzte Stufe in dem Buch, die auch beschrieben ist, die noch fehlt, ist folgende: dass Staaten beginnen werden, um ihre Bürger in ähnlicher Weise zu konkurrieren und zu werben, wie es heute schon Unternehmen um ihre Kunden tun. Und wenn Sie mich fragen, ich finde das einen schönen Gedanken.
Carsten Roemheld: Ja, wunderbar! Es ist revolutionär. Wie auch andere Aspekte, die wir vorhin erwähnt haben. Also das ist ganz klar eine völlige Neudefinition im Prinzip staatlicher Servicegesellschaft.
Isabell Welpe: Ja! Und das ist aber auch, wenn man sich jetzt die Politik anguckt, ja. Corona ist ja nach wie vor ein schwieriges Thema. Und was soll jetzt eine Regierung tun?! 50 % der Bürger sagen, auf jeden Fall A, und die andere Hälfte sagt, auf keinen Fall A. Da gibt‘s nichts mehr zusammenzuführen. Vielleicht muss man da erlauben, dass Menschen sich dann unterschiedlichen Regeln zuordnen zum Beispiel; sagen: Für mich passt das besser und für dich das. Das ist ja denkbar, dass nicht „one size fits all“ immer das Beste ist.
Carsten Roemheld: Genau. Wir haben ja jetzt über den Finanzsektor mal gesprochen, dann jetzt über den Staat ein wenig, jetzt würde ich mal gerne wissen, wie es in der Wirtschaft insgesamt aussieht. Da könnten ja auch Mittelsmänner, Mittelsfrauen durch die Blockchain-Technologie ersetzt werden. Was bedeutet die Blockchain-Technologie für Unternehmen?
Isabell Welpe: Also wie jede neue Technologie ist es für Wirtschaftsunternehmen erst einmal wichtig, zu verstehen, welche neuen und besseren Möglichkeiten ergeben sich durch die Nutzung dieser Technologie, Kundinnen und Kunden bessere Angebote zu machen. Darum geht es. Werden sich Kundinnen und Kunden auch zukünftig für meine Produkte und Dienstleistungen entscheiden oder für die Produkte und Dienstleistungen von konkurrierenden Unternehmen?
Und das ist oft missverstanden in Deutschland, das man meint, Digitalisierung sei etwas Technologisches. Die Technik ist Mittel zum Zweck, und zwar Mittel zum Zweck, Kunden bessere Angebote machen zu können. Und ein besseres Angebot ist immer etwas, was individuell und personalisiert zugeschnitten ist und das Menschen dann erreicht, wann und wo sie diese Lösung, diese individuelle Lösung, für ihre Probleme brauchen. Und das ist ja klar, dass das auch nur mit einem datenbasierten Ansatz funktioniert. Also eine Firma, die ungefähr weiß, wann ich eine Versicherung brauche oder einen Kredit brauche oder gerade Hunger auf Pizza habe oder ein Auto brauche oder eine Transportmöglichkeit, die macht natürlich bessere Angebote als eine Firma, die zwar ein gutes Produkt herstellt, aber in dem Sinne ein „dummes Produkt“, das gar nicht weiß, wann ich was wo brauche. Und das wird nur funktionieren, indem man Daten hat und Daten auch auswertet in diesem Sinn.
Also das wäre Punkt 1, dass die Wirtschaft sozusagen das Potenzial neuer Technologien für einen besseren Kundenservice versteht. Und natürlich braucht es dann auch ein Umdenken, welche Talente ich ins Unternehmen holen muss, und die muss es auch erlauben als Unternehmen, dass Talente von außen, die vielleicht meine Industrie auch gar nicht kennen, einen kritischen Blick werfen darauf, wie wir Arbeit und Zusammenarbeit und Wertschöpfung eigentlich organisieren, und dann sozusagen zustimmen, dass diese auch hinterfragt und gegebenenfalls verändert werden.
Und es gibt viele, also total spannende Sachen an der Blockchain. Was ich besonders spannend finde, ist zum Beispiel die Möglichkeit, über „Smart Contracts“ an einem sogenannten „After Market“ für immer zu partizipieren. Was, wenn ich etwas kreiere, bislang, also ob es ein Künstler ist oder ein Auto, ja, also jede Schöpfung bislang, die kann ich verkaufen. Und wenn sie dann aber wieder verkauft wird, dann profitiere ich eigentlich nicht davon. Also ein Künstler, der sein Bild verkauft und jetzt nehmen wir mal an, das Bild steigt dann im Wert und wird noch mal verkauft, dann hat der Käufer einen Gewinn gemacht, der das damals als Erster kaufte, aber der/die Künstler, der es ursprünglich erschaffen hat, ist an der weiteren Wertsteigerung nicht mehr beteiligt. Und dafür versprechen sozusagen die Blockchain-Technologien eine Lösung, dass man nämlich einen Vertrag schreiben könnte und sagen: Also ich bin an jedem zukünftigen Verkauf und der damit vielleicht einhergehenden Wertsteigerung auch beteiligt. Und das sind schöne Aussichten für alle die Firmen und Individuen, die etwas originär herstellen.
Carsten Roemheld: Wunderbare Aussichten, ja, finde ich auch.
Isabell Welpe: Ich finde auch, es müsste Deutschland in die Hände spielen, denn wir sind ein Land von Schöpfern. Wir sind weniger gut als Plattformunternehmer, sondern hier wird noch produziert, hergestellt und etwas geschaffen.
Carsten Roemheld: Aber auch jetzt mal abseits von den Künstlern oder denen, die etwas kreieren. Es ermöglicht ja auch die einfache Verbindung oder vertragliche Konstellation zwischen zwei Privatpersonen. Heißt das, dass ich in Zukunft theoretisch auch den Solarstrom von meinem Nachbarn anzapfen kann oder mein Haus ohne Makler, ohne Notar verkaufen kann, quasi direkt in einer Transaktion zwischen zwei Privatleuten?
Isabell Welpe: Ja, auch, also klar, genau darum geht‘s. Wir haben ja solche „Smart Contracts“ auch schon ganz, ganz bildlich gesprochen in jedem Verkaufsautomaten, wo sie sich eine Cola kaufen. Da schmeißen Sie 2 € rein, dann tippen sie eine Nummer ein, welche Cola oder Fanta Sie wollen, drücken Enter und dann wird die Cola rausgeschoben.
Carsten Roemheld: Hoffentlich!
Isabell Welpe: Was anderes ist ein „Smart Contract“ auch nicht, nur digital letztendlich. Also was ich auch sehr spannend finde, ist die sogenannte Tokenisierung. Also, dass man alle Vermögensgüter, Assets, ob es jetzt Häuser sind oder Kunst oder andere Anlagemöglichkeiten, dass man die sozusagen tokenisiert und damit eine neue Anlageklasse schafft, die mehr Menschen Zugang zu bestimmten Anlageklassen überhaupt erst verschafft.
Also ich zum Beispiel kann mir keinen Andy Warhol kaufen, auch wenn ich glaube, dass das vielleicht ein gutes Investment wäre und vor Inflation schützen würde, weil ich mir die 6 Millionen € nicht leisten kann, die so ein Warhol kostet. Und jetzt haben die ersten Auktionshäuser angefangen, solche Kunstgegenstände zu tokenisieren und dann könnte ich zum Beispiel einen Anteil, einen kleinen Anteil an dem tokenisierten Kunstwerk erwerben, was es mir erlauben würde, an der Wertsteigerung zu partizipieren. Oder für viele ist es auch nicht möglich, sich ein ganzes Appartement zu kaufen in München oder in anderen Städten, obwohl natürlich Immobilien eine attraktive Anlageklasse sind, gerade in Zeiten von Inflation. Und durch die Tokenisierung wird es aber möglich. Bei uns in Europa ist die Gesetzgebung da noch — man muss sagen: leider — sehr restriktiv, aber in den USA kann ich mich mit 50 $ beteiligen an Wohnungen und Häusern und sollte der Wert steigen, sozusagen an dieser Wertsteigerung partizipieren.
Das, finde ich, ist ein ganz wichtiges demokratisches Element dieser Technologie. Und eine Vision hat einer der Winklevoss-Brüder mal formuliert, der sagte: Bald in der Zukunft wird man in der Lage sein, in den lokalen Nachbar-Kaffeeladen zu gehen, dann eine Tasse Kaffee zu kaufen und gleichzeitig mit der Tasse Kaffee einen sogenannten „Ownership Stake“ im Kaffee-Shop. Also das macht aus Konsumenten Eigentümer und was Besseres kann uns ja auch gar nicht passieren, auch in den kritischen Diskussionen, die es weltweit gibt, zum Thema Kapitalismus, wie muss man ihn verändern. Dass man die Menschen, die in einem Viertel konsumieren, auch zu dem Viertel beitragen, dass man die mehr beteiligt, ja, an ihrem, sozusagen, an ihrem Anteil, ja, dieses Viertel zu erhalten und in diesem Viertel zu leben.
Carsten Roemheld: Es klingt wirklich fantastisch. Also wie Sie schon sagten, eine Demokratisierung, eigentlich viel mehr auch der Ermöglichung von kleineren Stückelungen und von Anlageklassen, die sonst eben nur den ganz Reichen und Vermögenden vorbehalten sind, finde ich einen wunderbaren Gedanken. Eine Sache sollten wir vielleicht auch noch mal besprechen, und zwar ist ja eine Kritik vor allen Dingen an der Kryptowährung Bitcoin eben der hohe Energieaufwand, da wird immer sehr viel darüber gesprochen, wird sehr viel Strom verbraucht und so weiter. Die Frage ist: Gilt das auch für die Blockchain? Ist im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatten so etwas zukunftsfähig und man braucht viel Energieleistung, man braucht viel Serverleistung oder ist das eine Frage, die an dem Kern grundsätzlich vorbeigeht?
Isabell Welpe: Ja, es gibt daran immer wieder Kritik, das stimmt. Man muss allerdings auch sagen, dass dadurch auch Anreize geschaffen werden, Energiequellen zu nutzen, die sonst einfach ungenutzt blieben. Also es setzt schon Anreize, zu überlegen, wo kann ich denn noch Energie abschöpfen, auf welche kreative Art und Weise. Und insofern trägt es dann auch wieder bei zur nachhaltigen Energienutzung.
Und man muss, wenn man den Vergleich fair diskutieren will, man darf nicht das vergleichen, was sind die Energiekosten, wenn ich meine Kreditkarte durchs PIN-Gerät ziehe, versus Blockchain- oder Bitcoin-Energiekosten. Ich muss schon das gesamte Finanzsystem, also die Gebäude, ja, die Gebäude, die in der City in Frankfurt stehen, der Beton, der wieder gebaut wurde, die Commutes, die Leute, die hinfahren; das ermöglicht, dass ich eine Kreditkarte durchziehen kann. Um es fair zu halten, muss man schon dies beides vergleichen und da schneidet Bitcoin nicht schlecht ab.
Carsten Roemheld: Ja, Sie haben es vollkommen richtig gesagt. Das ist ansonsten ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Kommen wir vielleicht mal auf das internationale Umfeld. Sie haben am Anfang schon einen Aspekt erwähnt, den ich sehr, sehr spannend und sehr nachdenkenswert finde: nämlich, dass die Blockchain durchaus das Machtmonopol großer Tech-Konzerne gefährdet, sagen wir mal, weil die ja besonders stark von der Zentralisierung des Internets profitiert haben und weiterhin profitieren. Sie sagten ja eben, das ist dann eher eine dezentrale Art der Organisation. Was glauben Sie, wie die Zukunft dieser Tech-Konzerne aussehen wird?
Isabell Welpe: Na ja, die sind ja so jung, dass die noch sich alle gut erinnern in persona, wie das war, als sie selber die Platzhirsche diskutiert haben. Also das ist bei denen präsent, weil die sind ja so jung, Facebook und Google und diese Firmen. Und ich denke, dass die natürlich völlig auf dem Schirm haben, welche Chancen und Gefahren neue Technologien fürs eigene Geschäftsmodell darstellen und sicherlich versuchen werden, die Transformation mitzugestalten und mitzugehen.
Es ist eine Chance, weil ein neuer Technologiezyklus beginnt, und man müsste sozusagen diese Technologie nutzen, um sich sozusagen an die Spitze zu setzen. Es macht wenig Sinn heute, ein neues Betriebssystem zu etablieren, da sind die Claims und Felder abgesteckt. Aber man könnte hergehen und sagen, wir überspringen quasi den jetzigen Technologiezyklus und versuchen, uns vor die jetzt dominierenden Firmen und Konzerne zu setzen. Und besonders spannend oder besonders schade finde ich, dass sozusagen Europa bei der Frage der Betriebssysteme ja gar keine Rolle spielt. „Apple Car Play“ sagt alles in deutschen Autos. Und das Betriebssystem ist deswegen von allerhöchster strategischer Bedeutung, weil es das Zusammenspiel „Hardware — Software“ steuert, weil sie dort Kundendaten abgreifen, weil sie bestimmen, welche Software-Anwendungen laufe, und es wäre von allergrößter strategischer Bedeutung, dass es ein europäisches Betriebssystem gibt, das sich durchsetzt, um diesen sozusagen Verlust — da haben wir den Wettbewerb ein Stück weit verloren in der Digitalisierung —, um dem entgegenzuwirken.
Carsten Roemheld: Bin ich vollkommen bei Ihnen. Das führt mich zu der Frage: Wie weit sind wir denn in Europa überhaupt bei dem Thema? Wir haben ja einige Rückstände in den Bereichen Technologie, das kann man jetzt schon sehen. Aber wie ist es beim Thema Blockchain? Können wir das irgendwie messen? Hilft uns die Anzahl der Start-ups zum Beispiel im Vergleich zum Rest der Welt oder ähnliche Vergleiche?
Isabell Welpe: Ja, also, es gibt — Sie können das versuchen natürlich, überschlagsmäßig zu schätzen, wie viele Lehrstühle gibt es, die sich mit dem Thema befassen in Deutschland — ganz wenige. Also es gibt Lehrstühle, auch meiner gehört, glaube ich, dazu, die befassen sich damit, aber aus Eigenantrieb, das ist gar nicht Teil meines Lehrstuhlnahen … oder der Denomination. Und so könnte ich Ihnen einige nennen, die das tun, aber aus eigenem Antrieb quasi; also da gibt es wenig. Es ist heute noch so, wenn man jetzt als Regierung sagen würde, wir richten auch nur zehn Professuren ein in diesem Bereich, dann würde man sich, glaube ich, in Europa sofort an die Spitze setzen, weil so wenig offizielle Aktivität vorhanden ist.
Und in England, USA ist das ein bisschen mehr der Fall, auch da sicher noch nicht mainstream, aber es ist ein bisschen stärker der Fall, auch was sozusagen Sichtbarkeit von Zentren angeht, die diese Thematiken bearbeiten. Also Europa hat ja zwei Sachen, die wirklich für Europa sprechen: Einmal die Qualität der Ausbildung ist schon sehr gut und dann haben wir hier den Rechtsstaat und wir haben viele kreative Ideen, die in vielen Schubladen schlummern. Und ich bin ganz sicher, wenn die Zeiten es erfordern und die Not groß genug ist, dann werden wir auch auf diese Ideen wieder zurückgreifen und sie im Markt platzieren, wie wir das in früheren Zeiten auch schon gemacht haben.
Carsten Roemheld: Diesen Optimismus lob ich mir. Das finde ich hervorragend. Kommen wir mal — Sie haben gerade schon von anderen Supermächten gesprochen — kommen wir mal zum Thema China, denn die Blockchain dürfte ja für China eher von der Technologie her als dezentrale Technologie vielleicht ein wenig eine Gefahr bedeuten. Was glauben Sie, wie China in diesem Bereich mit diesem neuen Zukunftsmodell umgeht?
Isabell Welpe: Ja, also was wir bis jetzt sehen, dass China fremdelt mit dem Handeln von Tokens und auch dem Mining, also Bitcoin-Mining-Verbot, Trading-Verbot von „Digital Currencies“. Ich denke nicht, dass es entscheidend ist, und kein Land alleine kann auch die Entwicklung aufhalten. Das ist ja das Schöne an einer dezentralen Technologie. Also man wird sehen. In der Vergangenheit gab es da keinen klaren Kurs und da wurden Dinge mal so, mal so kommuniziert. Also ich bin selber gespannt, wie sich Chinas Haltung auch im Abgleich zu den USA zu diesem ganzen Space, den Kryptowährungen, auch entwickelt.
Carsten Roemheld: Okay. Wir müssen leider schon zur letzten Frage kommen, aber die ist auch besonders spannend, weil ja Blockchain so ein bisschen als dezentrales System auch Regulierung vielleicht benötigt. Die Debatte ist im Bezug auf digitale Währung schon sehr intensiv oder Kryptowährungen insbesondere. Und die Frage ist, wie wäre denn eine solche Kontrolle erreichbar in einem dezentralen System, was ja gerade darin eine Stärke aufzeigt, ohne bestimmende Autorität auszukommen?
Isabell Welpe: Also eine gewisse Regulierung braucht es bestimmt, um Mainstream-Konsumenten zu erreichen. Die gibt es ja aber auch schon, diese Art von Regulierung. Also Sie haben ja heute keine anonymen Exchanges mehr, Sie müssen sich registrieren; also es gibt da eine Nachverfolgung. Und Deutschland hat auch schon erste ganz weitreichende Schritte dahingehend unternommen, die Verwahrung von Kryptowerten zu regulieren. Also die EU hat mit „MiCA“ europaweite Regularien für Kryptowährungen angekündigt und Kontrolle ist beispielsweise bei zentralen Gatekeepern wie Kryptobörsen wie Coinbase oder Kraken auch durchsetzbar.
Am Ende ist es eine politische Frage und vor allem auch eine rechtliche. Sind bestehende Regulierungen und Gesetze für die Blockchain gültig? Sie können ja viele Verträge jetzt als „Smart Contracts“ aufsetzen. Es gibt viel Unsicherheit, inwieweit die dann rechtlich bindend und anerkannt sind, und in Bezug auf die Gerichtsbarkeit von solchen Verträgen wäre Regulierung sicher sehr begrüßenswert. Um auch zu klären, wer ist verantwortlich und, ja, welche rechtliche Gültigkeit weisen Ländern in der EU Blockchain-basierten Verträgen und Transaktionen zu.
Carsten Roemheld: Sehr schön. Sie haben heute wirklich sehr, sehr spannende Einblicke geliefert, Frau Professor Welpe, ich danke Ihnen sehr für die wirklich tollen Erkenntnisse, die uns in nicht allzu ferner Zukunft wohl viel mehr beschäftigen werden, als wir vielleicht heute schon ahnen. Wir haben einen kleinen Vorgeschmack darauf geben wollen, was uns erwarten könnte bzw. welche Auswirkungen wir in unserem Alltag haben werden.
Ihnen also erst mal herzlichen Dank noch mal für Ihre Teilnahme und auch Ihnen, liebe Hörer, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit. Wir hoffen, dass wir einige interessante Aspekte hier zur Anregung von Nachdenken bei Ihnen hervorgerufen haben und genau das wollen wir ja auch erreichen. Bleiben Sie gesund, machen Sie es gut und vielleicht sehen wir uns demnächst beim R³-Webinar von mir, das kommt alle zwei Wochen am Dienstag oder beim nächsten Mal beim nächsten Podcast. In der Zwischenzeit können Sie gerne auch unsere Blogs zu aktuellen Marktthemen lesen, die wir auf der Website für Sie bereitstellen.
Vielen Dank und viele Grüße, Ihr Carsten Roemheld.
Isabell Welpe: Herzlichen Dank, Herr Roemheld. Alles Gute, tschüs!
Carsten Roemheld: Danke, Frau Professor Welpe!

Isabell M. Welpe
Prof. Dr. Isabell M. Welpe ist seit 2009 Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und seit 2014 Wissenschaftliche Leiterin des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF). 2017 wurde sie unter die 40 führenden HR-Persönlichkeiten gewählt (Auszeichnung der Zeitschrift Personalmagazin) und 2019 mit der Bayerischen Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft ausgezeichnet.
Die Expertise von Professor Welpe umfasst die digitale Transformation von Unternehmen, die Auswirkungen von Blockchain auf Wirtschaft und Organisationen sowie die Zukunft von Führung und Arbeits-/Organisationsgestaltung.
Abonnieren Sie unsere Podcasts
Das könnte Sie auch interessieren
Kapitalmarkt-Blog mit Carsten Roemheld
Meinungsstark, auf den Punkt und immer am Puls der Zeit: Einschätzungen und Hintergründe zu allem, was die Kapitalmärkte bewegt.
Mehr erfahren

Blockchain-Glossar: 10 Begriffe, die Sie kennen sollten
Die Blockchain birgt das Potenzial, unser Wirtschaftssystem für immer zu verändern. Doch was steckt hinter Begriffen wie Smart Contracts, NFT und Co.? Die wichtigsten Vokabeln im Überblick.
Mehr erfahren
Bleiben Sie informiert
Mit unseren kostenlosen Newslettern bleiben Sie immer am Ball. Erfahren Sie aktuell, was die Märkte und Anleger bewegt.
Bitte wählen Sie:

Sprechen Sie uns an
Sie möchten mehr über unsere Fonds und Anlagelösungen erfahren oder haben Fragen zu Ihrer Geldanlage? Unser Team unterstützt Sie jederzeit gerne.
Ansprechpartner findenMärkte und Themen
Wie entwickeln sich die Märkte? Wo bieten sich Chancen für Anleger? Unsere Experten und Analysten berichten von den wichtigsten Entwicklungen, die Sie kennen sollten.
Jetzt entdeckenWichtige Informationen
Diese Aufzeichnung darf ohne vorherige Erlaubnis weder reproduziert noch verbreitet werden. Für die in der vorliegenden Aufzeichnung gemachten Aussagen ist der jeweils benannte Gesprächspartner verantwortlich. Der Inhalt spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung von Fidelity International wider. Alle hier bereitgestellten Informationen dienen lediglich Informationszwecken sowie dem Zweck der Meinungsbildung. Eine Rechtsberatung findet nicht statt. Fidelity International übernimmt keine Gewähr für die Korrektheit, Aktualität, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Sichtweisen können sich jederzeit ohne Vorankündigung ändern. Fidelity International übernimmt keine Haftung für Schäden, die aus der Verwendung dieser Informationen herrühren. Diese Aufzeichnung stellt keine Handlungsgrundlage oder Anlageberatung dar. Die FIL Investment Services GmbH veröffentlicht ausschließlich produktbezogene Informationen, erteilt keine Anlageempfehlung / Anlageberatung und nimmt keine Kundenklassifizierung vor. Eine Anlageentscheidung sollte in jedem Fall auf Grundlage des Kundeninformationsdokuments „Wesentliche Anlegerinformationen“ und des veröffentlichten Verkaufsprospekts, des letzten Geschäftsberichts und — sofern nachfolgend veröffentlicht — des jüngsten Halbjahresberichts getroffen werden. Diese Unterlagen sind die allein verbindliche Grundlage des Kaufs. Anleger in Deutschland können diese Unterlagen kostenlos bei der FIL Investment Services GmbH, Postfach 200237, 60606 Frankfurt am Main, oder über http://www.fidelity.de anfordern. Der Wert der Anteile kann schwanken und wird nicht garantiert. Sollten in der Aufzeichnung Unternehmen genannt werden, dienen diese nur der Illustration und sind nicht als Kaufs- oder Verkaufsempfehlung zu verstehen. Fidelity, Fidelity International, das Fidelity International Logo und das „F-Symbol“ sind Markenzeichen von FIL Limited. FIL steht für FIL Limited (FIL) und ihre jeweiligen Tochtergesellschaften.
Herausgeber für professionelle Anleger und Vertriebspartner: FIL Investment Services GmbH, Kastanienhöhe 1, 61476 Kronberg im Taunus; Herausgeber für institutionelle Anleger: FIL (Luxembourg) S.A., 2a, rue Albert Borschette BP 2174 L-1021 Luxembourg. Zweigniederlassung Deutschland: FIL (Luxembourg) S.A. - Germany Branch, Kastanienhöhe 1, 61476 Kronberg im Taunus; für den Bereich Betriebliche Vorsorge: FIL Finance Services GmbH, Kastanienhöhe 1, 61476 Kronberg im Taunus; für Privatkunden: FIL Fondsbank GmbH, Kastanienhöhe 1, 61476 Kronberg im Taunus.
Stand: November 2021, MK13115
Rechtliche Hinweise
- Impressum
- Rechtliche Hinweise
- Datenschutzhinweise
- Cookie-Richtlinien
- Bericht über die Ausführungsqualität der FIL Fondsbank GmbH
- Abstimmungsverhalten der FIL Fondsbank GmbH
- Informationen zur Nachhaltigkeit der FIL Fondsbank GmbH
- Risikohinweise
- Anlegerinformationen und Fondspreise mit Ertrags- und Steuerdaten