Wir leben in unruhigen Zeiten. Finanzkrise, Pandemie, Klimanotstand und Konflikte reihen sich gefühlt ohne große Pausen aneinander. Bei so vielen Ausnahmezuständen fällt es schwer, nüchtern über Geldanlage zu sprechen. Aber genau das will ich heute tun: Ihnen helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren – und sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
Denn gerade unter schwierigen Bedingungen tappen Menschen immer wieder in psychologisch Fallen. In diesem Video stelle ich Ihnen typische Denkfehler bei der Geldanlage vor, die mir immer wieder begegnen. Ich zeige Ihnen, wie Sie sie erkennen. Und was tun können, um die zu vermeiden.
Mein Name ist Andreas Telschow und ich begrüße Sie herzlich zu unserer Videoreihe: Erfolgreich Investieren.
Das Fachgebiet, um das es heute geht, stammt also aus der Psychologie. Es geht um Behavioral Finance - das ist eine Wissenschaft, die sich mit menschlichen Verhaltensmustern an den Finanzmärkten beschäftigt. Oder anders gesagt: Wie ticken Anleger, wenn es um ihr Geld geht? Klingt abstrakt – ist aber spannend. Und hilft sehr konkret, Denkfallen zu entschärfen und Fehler zu vermeiden. Denn tatsächlich bestimmen nicht nur harte Zahlen und Analysen das Geschehen an den Märkten, sondern auch Gefühle wie Angst, Panik, Gier und Euphorie. Übrigens alles Emotionen, denen auch Experten sich nicht entziehen können - und sie oft genug teuer zu stehen kommen. Beginnen wir mit einem Phänomen, das besonders vielen bei ihrem Anlage-Erfolg im Weg steht: der Verlustangst.
Worum geht es?
Stellen Sie sich vor, Sie sind Taxifahrer. An manchen Tagen ist viel los, an anderen weniger. Wäre es nicht logisch, wenn Sie an den besseren Tagen mehr arbeiten, um die schwächeren Tage auszugleichen? Dafür müssten Sie allerdings aushalten, dass Sie an manchen Tagen Verluste machen. In einem berühmten Experiment haben Forscher festgestellt, dass viele Taxifahrer genau das nicht schaffen – und deshalb ausgerechnet an den schlechten Tagen besonders lang herumstehen, um zu versuchen, doch noch auf ihr Tagessoll zu kommen. Dieses irrationale Verhalten hat einen Grund: Ein Verlust bewegt uns emotional zwei- bis dreimal stärker als ein Gewinn. Oder anders gesagt: Wir leiden bei negativen Erfahrungen mehr als wir uns über positive Momente erfreuen können. Im Kern haben wir Menschen also eher eine Tendenz zum Pessimismus – so zumindest das Ergebnis der Forschung.
Was hat das nun mit Ihrer Geldanlage zu tun?
Dazu ein zweites Beispiel: Stellen Sie sich dazu einmal vor, ein Fonds verliert plötzlich an Wert. Ein richtiger Crash: Von einem Tag auf den anderen fällt der Preis um 30 Prozent, statt 20.000 Euro sehen Sie nur noch 14.000 Euro in Ihrem Depot. Die Angst zu verlieren kann bei Ihnen jetzt zwei völlig falsche Reaktionen auslösen:
- Erstens: Sie verkaufen in Panik. Sofort. Und um jeden Preis.
- Zweitens: Sie halten weiter an dem Fonds fest, weil Sie hoffen, den Verlust nicht realisieren zu müssen. Sie vermeiden den gefürchteten endgültigen Trennungsschmerz.
Was wäre die bessere Antwort auf den Crash?
- Erstens: Schätzen Sie ein, wie wahrscheinlich es ist, dass der Wert noch weiter fällt – oder dass er wieder steigt. Wie sieht etwa die mittelfristige Perspektive der Region oder der Branche aus, in der das Geld anleget ist?
- Zweitens: Wägen Sie ab, wie groß die Chancen im Vergleich zu den Risiken sind. Dazu können Sie zum Beispiel die Wertentwicklung und die Schwankungen mit anderen Fonds vergleichen.
- Drittens: Stellen Sie sich die Frage, ob Sie diesen Fonds heute noch einmal kaufen würden. Falls nicht, dann ist es vielleicht wirklich Zeit, ihn aus dem Depot zu nehmen.
Vor allem aber: Nehmen Sie sich die Zeit, eine nüchterne und langfristige Entscheidung zu treffen. Und konzentrieren Sie sich bloß nicht auf einen einzigen Tagesverlust.
Ein ganz praktischer Tipp dafür, der vielleicht ein wenig abgedroschen wirkt, aber sogar von versierten Finanz-Profis beherzigt wird: Schauen Sie nicht jeden Tag ins Depot.
Ich weiß: Das ist leichter gesagt als getan. Aber wenn Sie sich bei jeder Kursveränderung fragen, ob jetzt der Zeitpunkt zum Handeln gekommen ist, ist vermutlich kein Zeitpunkt der Richtige. Natürlich ist es wichtig, dass Sie bei größeren Kursausschlägen reagieren. Was Sie dann tun, hängt aber vor allem davon ab, wie viel Gewinn Sie sich von Ihrem Einsatz erwarten – und wie hoch Verluste sein dürfen, damit Sie noch ruhig schlafen können.
Mein Tipp: Gönnen Sie sich auf jeden Fall eine Nachdenk-Pause, bevor Sie handeln. Um Sie zu beruhigen: Die Zeit lauft Ihnen nicht weg. Sie ist sogar Ihr Verbündeter. Denn die Erfahrung lehrt, dass etwa an den Aktienmärkten Verluste über längere Zeiträume noch immer wieder ausgeglichen wurden. Das mit dem Nachdenken sage übrigens nicht nur ich. Das sagt auch der Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Er ist der vielleicht wichtigste Experte für menschliche Fehlentscheidungen. Und er spricht gern von zwei Systemen beim Denken: dem Schnellen und dem Langsamen. Während wir beim schnellen Denken oft falschen Intuitionen folgen, einer verzerrten Wahrnehmung aufsitzen und uns maßlos überschätzen, lässt sich all das beim langsamen Denken überwinden. Durch emotionale Disziplin, wie Kahneman sagt. Also eine Nacht darüber schlafen und sich ein zeitliches Limit oder eine Erinnerung setzen, zu der Sie noch einmal über Ihre Entscheidung nachdenken und dann handeln. Darüber sollten wir noch einmal reden: Haben Sie gerne recht? Dann geht es Ihnen so wie den meisten Menschen. Wir vertrauen am liebsten unserem Wissen und unseren Fähigkeiten – selbst, wenn es damit objektiv betrachtet nicht weit her ist. Diese Selbstüberschätzung kann bei der Geldanlage zum Problem werden … und zwar gleich auf drei Arten:
- Erstens: Wir neigen zur verzerrten Wahrnehmung. Wir suchen Informationen, die in unser Weltbild passen, die unsere Sicht der Dinge bestätigen und die unsere Argumentation stützen. Zugleich sind wir Weltmeister darin, all das auszublenden, was wir nicht sehen wollen. Wohin diese Verzerrung führt? Nun ja, geradewegs in eine Filterblase. Was dabei rauskommt, kennen Sie vielleicht. Aus typischen Gesprächen mit Menschen, die fest an eine Sache glauben – aber leider an die falsche. Mit Fakten werden sie solche Menschen nur selten davon überzeugen, dass sie sich irren. Was dagegen hilft? Nutzen Sie immer mehrere Informationsangebote und vertrauen Sie nur verlässlichen Quellen. Auch auf unserer Website finden Sie viele aktuelle Markteinschätzungen, Analysen unserer Profis und unterschiedliche Blickwinkel.
- Zweitens: Wir nutzen falsche Framings. Das ist ein Modewort … ich weiß. Hier passt es aber gut hin. Es geht darum, dass Informationen nicht im freien Raum schweben, sondern in einem bestimmten Rahmen daherkommen. Viele Daten in der Finanzwelt sind zudem relativ. Es gibt einen Anfangs- und einen Endwert. Rendite, Performance oder Risiko: all das lässt sich nicht bewerten, ohne einen Blick auf den Ausgangspunkt. Ob wir eine Kennzahl für gut oder schlecht halten, hängt schlicht davon ab, womit wir sie vergleichen.
Mein Tipp: Es ist wichtig, diesen Rahmen immer wieder mal zu verlassen, um das ganze Bild zu erkennen: Ein Kurs-Chart, das drei Jahre lang nach oben zeigt, kann nämlich auf Fünf-Jahres-Sicht ganz schön bescheiden aussehen. Zoomen Sie also immer wieder herein und heraus, wenn Sie die Güte eines Investments beurteilen. Ändern Sie die Zeiträume. Blicken Sie über den Tellerrand. Und nehmen Sie auch mal die Lupe zur Hand und schauen zum Beispiel in ein Fondsportfolio hinein, um zu sehen, welche Einzeltitel sich wie geschlagen haben.
- Drittens: Wir legen den falschen Bewertungsmaßstab an. Apropos Lupe: Informationen brauchen Einordnung, sonst sind sie nutzlos. Auch dabei spielt uns unser schnelles Denken gerne einen Streich – denn wir neigen dazu, uns die komplizierte Welt so zu machen, wie sie uns gefällt.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben vor einem Jahr einen Fonds für 5.000 Euro gekauft. Jetzt ist er 6.000 Euro wert. Nun die Frage: Kaufen oder verkaufen? Schnell gedacht: 20 Prozent Gewinn mitnehmen, warum nicht? Und jetzt noch mal langsam hinterhergedacht: Sagt der Preis, zu dem Sie den Fonds zufällig irgendwann mal gekauft haben, eigentlich irgendwas aus über den heutigen Wert des Anlageportfolios?... Eigentlich: Nein.
20 Prozent Rendite im Vergleich zum Kaufpreis? Das hat also keine große Aussagekraft. Jedenfalls nicht dafür, ob man den Fonds jetzt besser noch hält oder verkauft. Genau so denken wir aber immer wieder – weil wir eine Information an einem bestimmten Punkt oder einem Datum festmachen. Dabei kann es ja sein, dass der Fonds noch weiter an Wert zulegt. Das hängt aber überhaupt nicht vom Kaufpreis ab – sondern allein von den weiteren Aussichten.
Diese psychologische Falle ist auch als Ankereffekt bekannt. Und der kann uns ganz schön in die Quere kommen, wenn wir allzu schnell ein Urteil fällen. Nicht nur bei Gewinnen – sondern auch bei Verlusten.
Sie kennen das vielleicht von der letzten Autoreparatur. War die teuer - denken wir: Jetzt muss der Wagen aber auch noch durch den nächsten TÜV.
Koste es, was es wolle. Wir sind eben alle kleine Rechthaber.
Und so werfen wir dem schlechten Geld womöglich noch weiteres Gutes hinterher. Bloß, um eine Fehlentscheidung der Vergangenheit irgendwie wieder gut zu machen.
Zu Ende gedacht, wäre es vielleicht klüger gewesen, sich einzugestehen, dass das Geld für die Reparatur so oder so verloren ist. Wenn das Auto sich nun als nicht mehr fahrtüchtig erweist, ist das also eine neue Situation, die nichts mit der Vergangenheit zu tun hat. Übertragen auf die Geldanlage: Haben Sie einen Fonds gekauft, der stetig an Wert verliert, und es gibt keine Aussicht mehr auf eine Trendwende, dann ziehen Sie besser die Reißleine. Wann es so weit ist? Das ist einerseits eine schwierige Frage, andererseits ganz leicht: Nämlich dann, wenn ein einzelner Fonds nicht mehr zu Ihrer Anlagestrategie passt. Wie Sie eine solche Strategie entwickeln und regelmäßig überprüfen, das habe ich in einem anderen Video ausführlich erklärt.
Auch ein Blick in den Depotreport kann dabei helfen, die Lage zu bewerten - und mit unserem Fondsfinder können Sie im Anschluss gleich nach einem möglichen Ersatz suchen.
Zusammengefasst: Nüchtern zu akzeptieren, dass wir uns geirrt und Kosten nutzlos versenkt haben, fällt uns ungeheuer schwer. Dabei wäre es richtig, diese versunkenen Kosten ein für alle Mal zu vergessen – und den Ärger über die Vergangenheit nicht in eine strategische Entscheidung für die Zukunft einzubeziehen.
Apropos Vergessen
Der womöglich wichtigste Tipp aus der Anlegerpsychologie lautet: Belasten Sie sich nicht mit zu vielen Informationen. Heute ist nämlich nicht mehr der Mangel an Informationen die größte Herausforderung. Sondern der Überfluss. Es geht vor allem darum, Dinge auf das Wesentliche zu reduzieren – und nicht jedem scheinbaren Zusammenhang nachzuspüren. Aber wie bekommt man das hin? Ein Weg kann sein, das Marktgeschehen nicht für sich allein beobachten zu wollen, sondern denen zu vertrauen, die das professionell und für viel andere tun. Fondsmanager zum Beispiel. Sie und ihre Analysten werten jede einzelne Anlageentscheidung aus, ziehen dafür verschiedenste Datenquellen hinzu und verfügen über exzellente Kontakte zu den Verantwortlichen in den Unternehmen und bei den Emittenten. Wichtige Nachrichten fassen wir außerdem regelmäßig per Newsletter zusammen, sodass Sie nichts Wichtiges verpassen. Und in unserem Kapitalmarkt-Podcast können Sie thematisch auch mal tiefer eintauchen, wenn Sie mögen.
Übrigens, nicht nur in unseren Fonds steckt das Wissen unserer Investment-Experten. Diese geben nämlich ihr Wissen gern an Sie weiter. Wie? Nun ja, in Form von 50 ausgewählten Fonds, die sie auf Herz und Nieren geprüft haben. Sie finden diese Übersicht kostenlos auf unserer Webseite. Und wenn Sie sich ganz unseren Experten anvertrauen wollen, können Sie auch das: mit Fidelity Wealth Experts. Unserer Full-Service-Lösung für Ihre Anlagestrategie.
Fazit:
Gerade in unruhigen Zeiten neigen wir allzu oft dazu, schnelle Entscheidungen zu fällen. Dabei machen wieder leider immer wieder Fehler:
- Wir lassen uns von Verlustängsten leiten.
- Wir neigen zur Selbstüberschätzung.
- Wir haben oft eine verzerrte Wahrnehmung, denken in falschen Framings und nutzen ungeeignete Bewertungsmaßstäbe.
- Wir ärgern uns über versunkene Kosten.
- Wir leiden am Informationsüberfluss.
Was gegen all diese Fehler hilft?
Ruhe bewahren – und langsames Denken als ein Gebot der Klugheit begreifen.
In diesem Sinne wünsche Ihnen einen lang anhaltenden Erfolg mit Ihren Investments!
Ihr Andreas Telschow