US-Staatsanleihen gelten eigentlich als sicherer Hafen für Investorinnen und Investoren. Angesichts der Zoll-Drohungen und geopolitischen Anspannung werden sie nun aber zum strategischen Hebel: Wer den USA Geld leiht, kann Druck ausüben.
US-Staatsanleihen bilden so etwas wie das Rückgrat der globalen Finanzarchitektur. Sie lassen sich jederzeit handeln, gelten als verlässlich und sind in Krisenzeiten oft die erste Wahl. Staaten weltweit parken daher Devisenreserven in Schuldtiteln der USA, unabhängig davon, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Doch neuerdings gerät diese Rolle ins Wanken: Inmitten wachsender Handelskonflikte könnten die US-Anleihen ins Zentrum politischer Machtspiele rücken.
Seit Donald Trump im April eine neue Zollrunde gegen die Welt und insbesondere gegen China ausgerufen hatte, herrscht Unruhe. Die Zollerhöhung überraschte in ihrer Schärfe, Gegenmaßnahmen fielen heftig aus. Chinas Staatsführung wurde inzwischen zu Verhandlungen nach Genf eingeladen.1 Nun sind manche Zölle wieder ausgesetzt, aber der Poker geht wohl erst richtig los.
Was bei diesen Verhandlungen selten in den Blick gerät, ist die andere Seite des Welthandels, nämlich die Bezahlung der Waren und Dienstleistungen über Devisen. Diese werden in aller Regel in US-Staatsanleihen getauscht und gehalten. China ist heute einer der größten Gläubiger der Vereinigten Staaten. Nun zieht sich der Staat seit Längerem aus US-Staatsanleihen zurück. Laut Devisenaufsicht SAFE wurden die Treasury-Bestände Chinas seit Anfang 2022 um mehr als 27 Prozent2 reduziert. Ex-Zentralbanker Yu Yongding warnte bereits: Der Besitz von US-Schulden könnte geopolitisch verwundbar machen.3 Stattdessen fließt das Kapital nun zunehmend in Gold und andere Anlagen außerhalb westlicher Einflusszonen.4
Auch Japan, traditionell ein besonders enger Handelspartner der USA, ist zugleich als Geldgeber für den US-Staatshaushalt äußerst relevant. Finanzminister Katsunobu Kato erklärte dazu kürzlich öffentlich, dass die über eine Billion US-Dollar in US-Staatsanleihen in einem möglichen Handelsstreit politisches Gewicht entfalten könnten.5 Es sei eine „Karte“, die bislang noch nie ausgespielt wurde. Kurze Zeit später räumte er zwar ein, dass er nur laut gedacht habe. Doch diese Drohung hat Gewicht.
Ein Hebel, den niemand ansetzen will.
Auch die USA sind sich ihrer Verwundbarkeit bewusst. Nach Trumps Zollankündigung kam es zu einem spürbaren Ausverkauf bei US-Staatsanleihen.6 Wer die Verkäufer waren, ist unklar. Doch machten schnell Spekulationen die Runde, China könnte weitere Bestände abstoßen. Das reichte aus, um ein klares Signal zu senden: Wer Amerikas Schuldscheine hält, hat Einfluss.
Der plötzliche Rückzug aus US-Staatsanleihen wäre aber auch für die Gläubiger ein riskantes Manöver.
Ein Ausverkauf chinesischer oder japanischer Bestände würde nicht nur die Kurse unter Druck setzen, sondern auch die eigenen Reserven entwerten. Und wohin sonst mit den Milliarden? Gold allein ist keine ausreichende Alternative, sogenannte Agency Bonds halbstaatlicher Akteure sind weitaus weniger liquide, und andere Anleihemärkte schlichtweg zu klein.
Darüber hinaus sind Staatsanleihen mehr als nur Schuldpapiere. Sie dienen weltweit als Sicherheit für Notenbanken, als Grundlage für Währungen und als Barometer für die Gesundheit der Finanzmärkte. Wer sie destabilisiert, provoziert womöglich ein systemisches Risiko.
Fazit
US-Staatsanleihen stützen die Finanzierung der Vereinigten Staaten. Ein groß angelegter Abverkauf könnte die fragile Schuldenlage der USA kippen lassen. Doch wer diesen Hebel nutzt, riskiert auch massive Rückschläge für die eigene Vermögenslage. Deshalb wird es vermutlich eher bei Drohungen mit Symbolwirkung bleiben als zu einer konzertierten Aktion kommen. Klar ist aber auch: Die USA halten gerade beim Muskelspiel mit China nicht alle Trümpfe.
Quellen:
¹ https://www.merkur.de/wirtschaft/vollstaendiger-neustart-donald-trump-zeigt-sich-zuversichtlich-im-handelskrieg-zr-93725647.html
² https://www.ft.com/content/fdad7e0b-aa23-4b7b-8f1a-fc1d48468631
³ https://www.scmp.com/economy/global-economy/article/3306201/economist-says-chinas-overseas-assets-risk-trade-war-hits-boiling-point
⁴ https://www.ft.com/content/fdad7e0b-aa23-4b7b-8f1a-fc1d48468631
⁵ https://www.ft.com/content/912f861f-26c8-4bcd-aca0-75a09e5767cc
⁶ https://www.cnbc.com/2025/04/15/us-treasurys-selloff-what-happened-and-why.html
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