US-Unternehmen verharren im Stimmungstief, während harte Wirtschaftsdaten für eine solide Lage sprechen. In Europa ist es umgekehrt: Hier trifft großer Optimismus auf trübe Wachstumszahlen. Die Diskrepanz zwischen Lage und Erwartungen eröffnet Chancen.
In den Chefetagen von US-Unternehmen herrscht derzeit schlechte Stimmung. Viele Top-Managerinnen und Manager erwarten eine wirtschaftliche Abkühlung. Führungskräfte genauso wie Verbraucherinnen und Verbraucher rechnen offenbar mit einem baldigen Abschwung. Während die Stimmung gekippt ist, präsentiert sich die US-Wirtschaft in harten Zahlen allerdings erstaunlich wacker und stabil.
Ein Blick auf die Industriedaten verdeutlicht die Kluft: Der ISM-Index, der die Stimmung der Einkaufsmanagerinnen und -manager im verarbeitenden Gewerbe misst, fiel im Mai auf 48,5 Punkte¹. Das war bereits der dritte Rückgang in Folge, ein klares Signal für eine Eintrübung. Ein Einbruch am Arbeitsmarkt blieb bislang jedoch aber aus. Die Arbeitslosenquote verharrt bei niedrigen 4,2 Prozent. Im Privatsektor entstanden zuletzt im Monatsvergleich sogar 140.000 neue Jobs, deutlich mehr als die prognostizierten 110.000². Laut der Bank of America (BofA) klaffen die gefühlte Krise und die reale Lage in den USA damit so stark auseinander wie nie zuvor³.
Ein fundamentaler Unterschied rückt nun ins Zentrum der Analyse: der Unterschied zwischen den harten und weichen Daten. Weiche Daten messen Meinungen und Erwartungen. Sie basieren in der Regel auf Umfragen zur Geschäftslage oder zum Verbrauchervertrauen und liefern somit ein Stimmungsbild. Harte Daten hingegen bilden die tatsächliche Entwicklung ab: Beschäftigung, Lohndynamik, Investitionen oder Kreditvergabe. Die Indikatoren erzählen in den USA gegensätzliche Geschichten.
Diese Diskrepanz ist nicht nur statistisch interessant, sondern hat auch konkrete Folgen für die Aktienmärkte. Historisch betrachtet entwickelten sich US-Aktien zuletzt immer dann besonders gut, wenn die schlechte Stimmung eben nicht in einer tatsächlichen Rezession mündete. Eine BofA-Analyse zeigt: In solchen Phasen stieg der S&P 500 binnen zwölf Monaten im Durchschnitt um 17 Prozent⁴. Die Erklärung: Anlegerinnen und Anleger preisen das Schlimmste ein, liegen damit aber daneben. Jetzt könnte dieser Mechanismus wieder wirken. Die US-Notenbank könnte Zinssenkungen in Aussicht stellen, wofür die harten Daten Rückenwind bieten. Die Voraussetzungen für eine positive Überraschung sind also gegeben.
Europa: Umgekehrte Welt
Kurios: In Europa ist das Stimmungs- und Lagebild genau umgekehrt. In Deutschland steigt der ifo-Geschäftsklimaindex seit fünf Monaten in Folge⁵ und auch auf EU-Ebene signalisieren Stimmungsindikatoren zumindest vorsichtigen Optimismus⁶. Die zuletzt stark gestiegene Unsicherheit unter Unternehmen hat abgenommen und das Vertrauen kehrt langsam zurück. Doch die Realität hinkt hinterher.
So fiel der Einkaufsmanagerindex in Deutschland zuletzt deutlich schwächer aus als erwartet⁷. Der Sachverständigenrat erwartet 2025 ein Null-Wachstum. Die EU-Kommission hat ihre Prognose für die Eurozone auf 0,9 Prozent⁸ gesenkt. Die erhoffte Erholung steht damit auf tönernen Füßen.
Hinzu kommt geopolitische Unsicherheit, die sich vor allem in Form der US-Zölle manifestiert. Donald Trump hat zuletzt angekündigt, die Importzölle für Stahl auf 50 Prozent zu verdoppeln⁹. Das ist ein aggressiver Schritt, der europäische Exporte hart treffen dürfte. Zwar laufen Verhandlungen, deren Ausgang ist jedoch offen. Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet das: In Europa wird am Markt derzeit eine weitaus bessere Zukunft eingepreist, als die harten Daten zeigen. In den USA wiederum könnte die Skepsis übertrieben sein.
Fazit
Wenn Marktakteure sich mehr an Gefühlen als an Fakten orientieren, entstehen Chancen. In den USA herrscht Pessimismus, obwohl die Daten für eine stabile Konjunktur sprechen. In Europa hingegen weckt die gute Stimmung Hoffnungen, denen die Realität bisher nicht standhält. Entscheidend ist, nicht allein dem Stimmungsbarometer zu folgen, sondern Erwartungen und die Fundamentaldatenlage zusammenzudenken.
Quellen:
¹ https://www.advisorperspectives.com/dshort/updates/2025/06/02/ism-manufacturing-pmi-contracts-may-2025
² https://stock3.com/news/markt-schiesst-hoch-us-arbeitsmarktdaten-besser-als-erwartet-2-16428039
³ ⁴ https://rsch.baml.com/access?q=DGPMDH4ueG8
⁵ https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/ifo-index-konjunktur-einkaufsmanager-100.html
⁶ https://economy-finance.ec.europa.eu/document/download/f18fba40-cfcd-4300-baee-ae0bdc7ecb61_en?filename=bcs_2025_05_en.pdf
⁷ https://finanzmarktwelt.de/einkaufsmanagerindex-7-349814/
⁸ https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/eurozone-deutschland-wachstum-100.html
⁹ https://www.fr.de/politik/niederlage-us-gericht-blockiert-verfassungswidrige-zoelle-trump-kassiert-zr-93759203.html
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