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KI: Wiederholt sich Dot-Com?

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Fidelity - Research team

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KI-Euphorie trieb die Aktienmärkte wie kein zweites Thema im vergangenen Börsenjahr. Viele fühlen sich an die Zeit vor dem Platzen der Dot-Com-Blase erinnert. Zu Unrecht. Denn die Unterschiede sind groß und – wie auch die Chancen von Fondsinvestments.

Spätestens seit ChatGPT veröffentlicht wurde, scheint das Thema KI die Fantasie an den Aktienmärkten zu beflügeln, wie kein zweites. Die Indizes weltweit wurden von wenigen Technologietiteln getrieben. Trotz der konjunkturell schwierigen Lage legte beispielsweise der US-Technologieindex Nasdaq 100 auf Jahressicht um mehr als 40 % zu.1

Bei so manchen Anlegerinnen und Anlegern weckt das ungute Erinnerungen, die zur Investitionszurückhaltung führen können. Hat der Aufwärtstrend nicht seit Anfang März gestoppt und die Nasdaq verzeichnet bereits Verluste?1 Ist es nicht nur knapp 25 Jahre her, dass die Dot-Com-Blase platzte? Waren es nicht auch damals Technologietitel, die die Märkte zunächst befeuerten und dann mit sich rissen?

30 Jahre Nasdaq 100: Wiederholt sich die Geschichte?

30 Jahre Nasdaq 100: Wiederholt sich die Geschichte?

Betrachtungszeitraum 18.03.1994 bis 18.03.2024. Prozentuale Kursentwicklung Nasdaq 100. Illustrativ, in Indizes kann nicht direkt investiert werden. Quelle: Refinitiv/Datastream, Darstellung FFB

Die Geschichte wiederholt sich nicht

Rückblick: Vor 25 Jahren regten die Möglichkeiten, die das Internet kommerziell bot, die Fantasien an – auf Seiten derer, die Anwendungen entwickelten, und auf Seiten von Anlegerinnen und Anlegern, die ihnen ihr Kapital anvertrauten. Zwar war das Internet nicht mehr neu (in den 1960ern sollte es zunächst den Austausch von US-Regierung und Militär ermöglichen, aber ab den frühen 1990ern wurde es kommerzialisiert), doch verglichen mit heute steckte es noch in den Kinderschuhen. Die Anzahl derer, die Zugriff auf das Internet hatten, Bandbreiten und Übertragungsgeschwindigkeiten – verschwindend gering im Vergleich zu heute. Mobile Nutzung? Noch nicht vorhanden.

Und doch war für ein paar Jahre kurz vor der Jahrtausendwende das Narrativ stark, dass das Internet unsere Welt mannigfaltig verändern würde. Jede noch so verrückte Geschäftsidee sollte möglich werden. Start-Ups schossen wie Pilze aus dem Boden, sammelten auf der Grundlage fantasievoller aber eben hypothetischer Businesspläne Kapital ein und erhielten es auch von Anlegerinnen und Anlegern, die sich – von Gier getrieben – atemberaubende Gewinne versprachen, die ihnen auch offensiv in Aussicht gestellt wurden. Im Jahr 2000 brach dann das Kartenhaus zusammen. Die Technologietitel rissen die Aktienmärkte insgesamt mit in die Tiefe. Nur gut drei Jahre später, waren mehr als die Hälfte der euphorisch an die Börse gebrachten Unternehmen verschwunden und mit ihnen zum Beispiel in Deutschland eine gerade neu geschaffene Anlageklasse: der „neue Markt“.2

Und doch gab es auch Überlebende des Zusammenbruchs. Zu ihnen gehört zum Beispiel Amazon.3 1994 buchstäblich in einer Garage in Seattle gegründet machte es zunächst als Online-Buchhändler von sich reden, bevor es als fast universelle Handelsplattform die Welt eroberte und heute zu einem der wertvollsten Unternehmen in der Welt avancierte. Die Entwicklungsgeschichte von Amazon macht deutlich, was bei vielen, die das Platzen der Blase nicht überlebt haben, schiefgelaufen ist und was ein eher generelles Problem bei den Phantasien der 1990er war.

Das generelle Problem: Viele Ideen mochten zwar gut gedacht gewesen sein – aber sie waren ihrer Zeit einfach zu weit voraus, um vom Markt aufgenommen zu werden. So auch der Onlinehandel. Eine Grafik für – das technologisch nicht sehr aufgeschlossene – Deutschland zeigt den Zeiteffekt. Erst lange nach der Jahrtausendwende kam E-Commerce so richtig in Schwung. Von 2000 bis 2021 haben sich die Umsätze fast verhundertfacht (bevor Krisen, Lieferkettenprobleme und konjunkturelle Eintrübung auch die Umsätze im Onlinehandel zurückgehen ließen).

E-Commerce-Umsatz mit Waren in Deutschland (in Mrd. Euro)

E-Commerce-Umsatz mit Waren in Deutschland (in Mrd. Euro)

Betrachtungszeitraum: 2000 bis 2023. Quelle: Statista/bevh, Januar 2024

Auch Amazon lief Gefahr, etwas zu früh am Start zu sein. Doch Amazon-Gründer Bezos konnte zunächst auf einen wachsenden jungen Kundenstamm im Bücher-, Video- und Musikhandel bauen und damit auf ein in diesem Sektor relativ solides Geschäftsmodell als Basis. Schon1998 weitete er sein Sortiment weiter aus. Anfangs 2000 wurde Bezos noch als „Person of the year“ vom Time Magazin gefeiert, 2002 geriet allerdings auch Amazon in finanzielle Schieflage und konnte nur mit Mühe gerettet werden. Erst danach setzte Amazon zu einem beeindruckenden globalen Wachstum an.

Zwei Lehren aus Dot-Com: Wer anlegt, sollte darauf achten, dass die Ideen und Visionen von Unternehmen auch zeitnah vom Markt als relevant angesehen und angenommen werden können. Und grundsätzlich ist es immer wichtig, das Geschäftsmodell eines Unternehmens kritisch auf seine Belastbarkeit zu prüfen.

Was heute anders ist: Vier wichtige Punkte

Hält man sich die genannten Schwachstellen vieler Unternehmen vor Augen, die nach dem Ende des Dot-Com-Hype scheiterten, wird deutlich, dass bei KI vieles ganz anders ist.

  1. Unternehmen fahren substanzielle Gewinne ein: Unternehmen wie NVIDIA, die heute im Zusammenhang mit KI in aller Munde sind, machen substanzielle Gewinne.3 Und im Falle von NVIDIA ließen sie beim jüngsten Quartalsbericht sogar die hochgesteckten Erwartungen hinter sich. Wobei das Gewinnwachstum das Umsatzwachstum noch einmal übertraf – ein Zeichen für ein höchst einträgliches Geschäftsmodell mit hohen Margen.3 Solche Zahlen stehen im deutlichen Gegensatz zur ersten Phase des Internetbooms, als einfach mit fantasievollen Beschreibungen eines Vorhabens Aktionärsgeld eingesammelt und anschließend verbrannt wurde (die berüchtigte „Cash-Burn-Rate“ bei damaligen Start-Ups).
  2. KI-Anwendungen werden von großen Unternehmen integriert. Schneller lassen sich Märkte mit neuen technologischen Anwendungen kaum durchdringen: Weltweit in ihrem Bereich führende Unternehmen wie Microsoft, große Automobilkonzerne etc. integrieren KI in ihre Leistungsprozesse und Wertschöpfungsketten – der Nachweis der Relevanz von KI wird also heute schon vielerorts erbracht.
  3. KI entwickelt sich bereits seit Jahrzehnten im Hintergrund. In vielen Produkten des täglichen Gebrauchs ist KI bereits integriert und nicht mehr wegzudenken, was die tatsächliche Relevanz dieser Technologie belegt. Hinzu kommt jetzt durch die Phase der „generativen KI" eine deutlichere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
  4. KI kann bei vielen langfristigen Herausforderungen der Menschheit helfen. Bereits heute helfen KI-Anwendungen, den immensen und langzeitwirksamen volkswirtschaftlichen und humanitären Herausforderungen der Menschheit zu begegnen. In den Industrieländern ist der Faktor Demografie (Überalterung) ein Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum. Der Fachkräftemangel ist ein vielfach beklagter Aspekt. KI kann helfen, die Produktivität einer Volkswirtschaft zu steigern, indem sie Teilaufgaben übernimmt, standardisierte Prozesse beschleunigt und die knappen Ressourcen an „menschlicher Intelligenz“ und Arbeitsleistung für wirklich produktive Aufgaben freisetzt. Die Anwendungen sind darüber hinaus weit gestreut. Auch im Gesundheitswesen kann KI beispielsweise helfen, die Kosten in den Industrieländern in den Griff zu bekommen oder auch die medizinische Versorgung in sich entwickelnden Regionen in der Fläche wesentlich zu verbessern. Prominentes Beispiel ist hier der Einsatz von KI in der diagnostischen Auswertung von bildgebenden Verfahren.

KI ist echter Megatrend – mit mehr als einzelnen Gewinnern

Als Grundlagentechnologie kommt KI sehr breit und diversifiziert zur Anwendung. Diese immense Marktrelevanz macht sie zu einem echten Megatrend, der in der Lage ist, die Weise wie wir leben und wirtschaften auf Jahre zu verändern.

Insofern wird es dem Thema KI nicht gerecht, nur auf einzelne Unternehmen zu fokussieren – seien sie derzeit auch so erfolgreich wie NVIDIA. Denn gerade an diesem Beispiel zeigt sich auch: Ein Geschäft mit hohen Margen wie denen, mit denen NVIDIA die Aktienmärkte gerade erfreut, und besten Wachstumsaussichten ruft den Wettbewerb auf den Plan. Und das von allen Seiten: Tech-Giganten wie Google oder Microsoft arbeiten an der Entwicklung eigener Chips, die es in der KI-Anwendung mit den Produkten von NVIDIA aufnehmen können.Start-Ups wie Groq wollen mit spezialisierten Chips für die KI-Sprachanwendung punkten.4,6 Und traditionelle Chiphersteller wie Intel oder AMD arbeiten an einem Verfahren, mit dem sich die für KI-Anwendungen erforderlichen Rechenleistungen kostengünstiger realisieren lassen.4 Das macht deutlich: Bereits im Geschäft der KI-Technologie und Hardware ist viel Potenzial für neue Aufsteiger – und keine Garantie für den Fortbestand der Gewinnentwicklungsdynamik einzelner Unternehmen und der Kursdynamik ihrer Aktien.

Doch das Thema KI treibt auch beileibe nicht nur Produzenten, die Hardware für die KI-Technologie herstellen. Und auch nicht allein die KI-Entwickler. In den nächsten Jahren werden immer mehr die Potenziale in der KI-Anwendung Chancen für Anlegerinnen und Anleger bereithalten. Und hier ist das Feld fast unbegrenzt. In Unternehmen aus praktisch allen Branchen in B2B- und B2C-Märkten schlummern Gewinnpotenziale, die mithilfe von KI-Anwendungen gehoben werden können. Und das geht weit über die heute schon üblichen Möglichkeiten wie Personaleinsparungen bei Call Centern, Erledigung standardisierten Schriftverkehrs, Optimierung von Fertigungsprozessen etc. hinaus.

Unabhängig von der Branche, in der sie tätig sind, wird entscheidend sein, welche Unternehmen sich durch klugen und konsequenten Einsatz von KI Vorteile im Wettbewerb verschaffen können.

Fazit: Mit Fonds lässt sich von KI vielfältig profitieren

Für Anlegerinnen und Anleger in Investmentfonds bietet KI als Megatrend damit langfristig interessante Anlagechancen, ohne sich auf einzelne Werte konzentrieren zu müssen, deren Kurse vielleicht bei ihnen Befürchtungen wecken.

Dabei lassen sich je nach eigener Risikobereitschaft und je nach Einbettung in ein schon breit diversifiziertes Anlageportfolio verschieden fokussierte Vorgehensweisen verfolgen. Mit engerem Fokus können größere Chancen aber auch höhere Risiken einhergehen:

  • Fokussierte ETFs bieten heute die Möglichkeit, in die globale oder regionale Chipindustrie zu investieren. Hier liegen Chancen und Risiken sehr nahe beieinander.
  • Sektorfonds oder Sektor-ETFs Technologie können viele Unternehmen enthalten, die im Fokus der Entwicklung von KI und der Produktion erforderlicher Hardware bzw. der Bereitstellung erforderlicher Services stehen. Allerdings immer noch konzentriert allein auf die Technologiebranche.
  • KI-Themenfonds ermöglichen es dem Fondsmanagement, gezielt Werte für das Portfolio auszuwählen, die jeweils aktuell besonders von der Weiterentwicklung der KI profitieren. Und das unabhängig davon, welcher Branche sie als Hersteller oder Anwender angehören.
  • Breit diversifizierte Aktienfonds, Aktien-ETFs oder Multi-Asset-Fonds: Diese können ebenfalls aufstrebende „KI-Gewinner“ enthalten (typischerweise ETFs) oder können die mögliche Rolle von KI als Treiber der Gewinnentwicklung einzelner Unternehmen in die Titelselektion mit einbeziehen (typischerweise aktiv gemanagte Fonds). Durch eine breitere Streuung laufen Anlegerinnen und Anleger hier weniger Gefahr, sich zu sehr vom Hype um einzelne Titel oder Sektoren abhängig zu machen.

Quellen:
Quelle: Refinitiv/Datastream, Stand 18.03.2024
2 Süddeutsche Zeitung, 10.02.2004
3 Die Nennung einzelner Unternehmen erfolgt beispielhaft, um Zusammenhänge zu erläutern. Eine Analyse einzelner Unternehmen liegt nicht zugrunde. Es wird mit der Nennung keine Empfehlung zu Kauf oder Verkauf einzelner bezogener Aktienwerte gegeben.
Manager-magazin, „Nvidia steigert Börsenwert um 277 Milliarden Dollar – an einem Tag“, 23.02.2024
5 Die Nennung einzelner Unternehmen erfolgt beispielhaft, um Zusammenhänge zu erläutern. Eine Analyse einzelner Unternehmen liegt nicht zugrunde. Es wird mit der Nennung keine Empfehlung zu Kauf oder Verkauf einzelner bezogener Aktienwerte gegeben.
Handelsblatt.de, „Wer Nvidia jetzt gefährlich werden könnte“, 04.03.2024

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