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Gefährdet teure Energie unseren Wohlstand?

Carsten Roemheld - Kapitalmarktstratege Fidelity International
14. Dezember 2021
Gefährdet teure Energie unseren Wohlstand? — Teil 1: Wieso die Kernkraft uns nicht helfen wird
Stark gestiegene Strom-, Gas- und Benzinpreise belasten Unternehmen wie Verbraucher. Die Wahrheit ist: Energie bleibt teuer. Dagegen helfen auch Phantasien von einer Wiedergeburt der Kernkraft nicht, sagt der Klimapolitik-Forscher Andreas Goldthau.
Gefährdet teure Energie unseren Wohlstand? — Teil 2: Was der Klimawandel mit Entwicklungshilfe zu tun hat
Der Umbau auf erneuerbare Energie muss auch in den Entwicklungsländern ankommen, damit die Klimawende funktioniert. Dazu braucht es mehr Direktinvestitionen und Technologietransfer. Die Europäische Union sollte Klimapolitik, Entwicklungspolitik und Außenhandelspolitik zusammendenken, fordert der Potsdamer Klimaökonom Andreas Goldthau.
Transkript zum Podcast — Teil 1
Gefährdet teure Energie unseren Wohlstand? — Teil 1
Carsten Roemheld: Energie ist so teuer wie selten zuvor. Das merken wir in diesen Tagen überall. Die Spritpreise steigen von Tag zu Tag. Die Stromtarife sind zuletzt kräftig geklettert und die Gasversorger informieren ihre Kunden ebenfalls über starke Kostensteigerungen. Ist das der Preis, den wir alle für den Klimaschutz zu tragen haben? Ist das also eine zwangsläufige, weil politisch gewollte Entwicklung? Oder gefährden hohe Kosten für Strom und Wärme auf Dauer unseren Wohlstand und wir täten gut daran, bald gegenzusteuern?
Darüber habe ich mit Professor Andreas Goldthau gesprochen. Er erforscht am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung die Auswirkungen der Energiewende auf unseren Wohlstand und die globale Chancengleichheit. In unserem Gespräch geht Goldthau auch auf zwei populäre Mythen über die Energiewende ein. Mythos Nummer eins: Der hohe Gaspreis wird von Russland ferngesteuert. Mythos Nummer zwei: Die Lösung für die Energiewende lautet Kernenergie.
Im Podcast hören Sie, warum Goldthau beides für Unsinn hält. Er erklärt, warum es für Staaten bei der Energieversorgung so wichtig ist, Optionen zu haben, selbst wenn sie sie nicht nutzen. Und er hat mir skizziert, wie im Energiesystem der Zukunft die Konsumenten zu „Prosumenten“ werden. Im zweiten Teil unseres Podcasts wird es dann im Detail um die sozialen Fragen gehen. Hören Sie dort ein leidenschaftliches Plädoyer für die Globalisierung, Goldthaus Einschätzung zur Rolle der EU und zur Zukunft der OPEC-Staaten.
Schreiben Sie mir gern, ob Sie die Einschätzungen teilen oder andere haben. Den Kontakt finden Sie in den Anmerkungen. Ich freue mich auf den Austausch.
Carsten Roemheld: Herr Professor Goldthau, vielen Dank, dass Sie uns heute zur Verfügung stehen, um mit uns ein paar sehr wichtige und aktuelle Aspekte in Bezug auf die Energiewende zu erläutern. COP26 liegt ja gerade hinter uns. Ein Hauptfokus war dort natürlich der Klimawandel und die Klimawende und das mediale Interesse war gigantisch. Und bei allen Forderungen und Maßnahmen sollte man aber nicht vergessen, dass die Welt eben nicht nur schwarz-weiß ist, sondern einige wichtige Nebenbedingungen oder auch unerwünschte Nebeneffekte bei der Diskussion oft ausgeblendet werden. Und wir wollen natürlich die Klimawende, aber nicht unbedingt auf Kosten des Wohlstandes oder eben auch nicht auf Kosten der Gerechtigkeit und der Chancengleichheit. Und das gilt es, heute ein bisschen aufzuarbeiten. Und daher freue ich mich sehr, dass Sie heute dabei sind.
Steigen wir gleich ein mit einem Thema, was vielleicht schon eine Nebenbedingung, auch des Klimawandels, ist: Die Energiekosten, die ja zuletzt sehr stark gestiegen sind. Der Preis — gerade hier in Europa für Gas — hat sich seit dem vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Und auch die Preissteigerungen bei Rohöl und Strom sind beträchtlich. Steht uns hier aus Ihrer Sicht ein teurer Winter bevor?
Andreas Goldthau: Ja, ich denke, das kann man durchaus so sagen. Was wir gerade sehen, sind starke Marktdynamiken, die man jetzt nicht einfach so ausbremsen kann. Wir haben eine starke Erholung der Weltwirtschaft in Asien, in den USA, auch in Europa. Wir haben eine starke Produktionsausweitung in der Industrie jeweils dort. Wir hatten auch klimatische Bedingungen, die nicht unbedingt optimal waren. Denken wir an den letzten Winter; und dieser wird vielleicht auch kalt. Wir hatten im Sommer im Übrigen auch sehr, sehr heiße Bedingungen. Wir erinnern uns, es gab Feuer am Polarkreis und in Südeuropa. Das heißt, wir hatten einen sehr heißen Sommer und das erforderte eine hohe Energiekonsumption. Das heißt also auch: vor allem im Bereich der Kühlung von Häusern und auch im Strombedarf. Und alles hat dazu geführt, dass die Nachfrage sehr stark nach oben gegangen ist.
An den Rohstoffmärkten — haben Sie schon angesprochen — sehen wir das genauso. Der Ölpreis ist jetzt gestiegen, obwohl die OPEC gestern angekündigt hat, ihre Förderangebote etwas auszuweiten. Auch das ist nicht unbedingt Spekulation, sondern das sind schlicht Fundamentaldaten, die uns da entgegenschlagen. Und mit einiger Verzögerung schlägt sich eben das, was auf den Rohstoffmärkten passiert, schlicht auch beim Verbraucher nieder. Nicht direkt, aber mit einiger Verzögerung. Und was wir sehen werden, ist jetzt nicht unbedingt dann einen Engpass. Wir werden nicht einen Engpass in Strom, in Gas oder Öl sehen, aber wir werden hohe Preise sehen. Und das ist jetzt auch absehbar.
Da gibt es absehbar auch keine Trendwende. Also wir werden bis ins Frühjahr hinein, gerade im Gaspreisbereich, einen hohen Gaspreis haben. Auch bei Strom wird’s ähnlich sein. Der wird übrigens noch höher gehen. Ab Januar 2022 kommt die nächste Stufe der CO₂-Bepreisung. Das ist eine politisch gewollte Steuerung des Konsumverhaltens der Menschen und der Wirtschaft über den Preis. Und all das heißt letzten Endes: Ja, wir werden einen Energiepreis bekommen, der höchstwahrscheinlich sich eher nach oben entwickelt und nicht nach unten.
Carsten Roemheld: Darauf sind wahrscheinlich viele Konsumenten noch nicht so richtig eingestellt und vielen ist noch nicht klar, was das auf Dauer bedeuten kann, nehme ich an. Jetzt ist ja auch die Frage, ob Russland gerade diese Energiekrise nutzt, als Druckmittel auch, um die Nordstream-2-Pipeline in Betrieb nehmen zu können. Da gibt es viele Diskussionen drum. Wie brisant ist diese Lage aus Ihrer Sicht und wie berechtigt sind diese Vorwürfe aus Ihrer Sicht, dass Russland das eben als entsprechendes Druckmittel einsetzen könnte?
Andreas Goldthau: Also generell denke ich, dass wir vielleicht noch mal einen Schritt zurückgehen müssen und die Frage stellen müssen: Was ist da auf den Gasmärkten los? Und was wir ganz prinzipiell sehen, ist etwas, das haben wir auch gerade schon kurz andiskutiert. Es gibt halt einfach schlicht eine hohe Nachfragesituation und die trifft nicht unbedingt auf ein ausgeweitetes Angebot. Jetzt ganz konkret: Das Flüssiggas, das gerade aus den USA rauskommt, das geht nicht nach Europa, sondern es geht nach Asien. In Asien gibt’s eine hohe Nachfrage, sie zahlen auch höhere Preise und damit geht dieses Flüssiggas eben an Europa vorbei in eine sehr dynamische Weltregion.
Jetzt könnte man sagen: Na ja, warum liefert Russland nicht mehr und versucht dann eben diesen potenziellen Engpass aufzufangen? Und die Antwort ist: Die brauchen selber viel im Moment. Also auch die russische Wirtschaft hat in diesem Sommer und auch jetzt im Herbst mehr Gas verbraucht als gedacht. Die Förderung ist nicht dementsprechend ausgeweitet worden; aus vielen Gründen nicht. Und damit haben wir eine Knappheitssituation. Die ist primär einfach erst mal festzustellen, da ist Politik jetzt relativ fern davon. Auch die große Geopolitik hat da relativ wenig mit zu tun, sondern es sind einfach schlicht Fundamentaldaten.
Was die Russen natürlich sehr, sehr gut machen, ist, sie nutzen das kommunikativ. Sie sagen also, „Na ja, wir könnten ja das Gasangebot ausweiten, würdet ihr denn die Nordstream-2-Pipeline in Betrieb nehmen lassen“, und versuchen dadurch natürlich, Druck aufzubauen. Aber die erste Frage, die sich da stellen würde, ist: Können die überhaupt mehr liefern? Und ich würde sagen, in Russland ist der Winter kälter als bei uns, die brauchen es erst mal selber. Und zum Zweiten: Wenn ich jetzt den Schätzungen so glaube, ist in der Tat auch die Kapazitätsausweitung nicht mehr allzu groß vom Potenzial her.
Insofern ist das für mich eher primär eine gute kommunikative Strategie, die die Russen fahren. Die ist nicht besonders schön für uns als Europäer, aber wir sollten jetzt vielleicht den Russen nicht jedes Mal auf den Leim gehen, wenn die sagen: Na ja, wir drehen euch den Gashahn ab, wenn ihr nicht das tut, was wir wollen. Denn da ist noch ein anderer Aspekt wichtig. Ich meine, wir können jetzt natürlich, wir können von der russischen Seite gerne das Signal bekommen, dass wir jetzt doch bitte als Europäer diese Nordstream-2-Pipeline in Betrieb nehmen sollen, aber so wie Europa aufgesetzt ist und wie es regulatorisch organisiert ist, kann das gar keine Bundesregierung tun. Das kann auch die EU-Kommission nicht tun. Politische Akteure generell können das nicht tun, sondern das sind unabhängige Netzregulierer in Deutschland, das ist die Bundesnetzagentur. Wenn sich die Bundesregierung hinstellen würde und sagen würde: „Liebe Bundesnetzagentur, nimm doch mal Nordstream 2 in Betrieb, dann ist das nächste, was wir sehen werden, dass jemand zum Gericht geht und gegen diese Entscheidung vorgeht; denn das ist politische Einflussnahme.
Das heißt also, selbst wenn die Russen wollten, dass die Politik etwas tut, und selbst wenn die Politik in Deutschland oder auf EU-Niveau diesem entsprechen möchte, selbst dann funktioniert das nicht, denn wir haben unabhängige Regulierer und wir haben einen sehr marktliberal organisierten Gasmarkt. Insofern: Ich wäre da etwas entspannter, was vor allem die russischen Drohungen angeht. Die Russen verdienen gutes Geld bei uns und es gibt einen sehr hochpreisigen primären Exportmarkt, den Gazprom hat als Exportmonopolist. Und das ist ein Markt, den man noch für eine Weile erhalten möchte. Ich wäre also zuversichtlich, dass die politischen Signale, die aus Russland kommen, jetzt nicht unbedingt in einer Knappheit im Herbst sich umschlagen.
Aber vielleicht noch einen letzten Punkt: Die Ironie der ganzen Sache ist natürlich, wir haben es ja eigentlich genau so gewollt. Also die Europäische Union hat vor ungefähr 20 Jahren angefangen, den europäischen Gasmarkt zu liberalisieren und nationale Gasmärkte zu integrieren. Es gab einen deutschen Gasmarkt, einen österreichischen Gasmarkt, einen französischen Gasmarkt und so weiter und so fort; und die waren alle voneinander mehr oder weniger isoliert. Was wir getan haben, ist: Wir haben diese ganzen Märkte verbunden, also wir haben Infrastruktur geschaffen. Wir haben Interkonnektoren geschaffen. Gas fing an, zwischen den Ländern zu fließen, und gleichzeitig haben wir zu dieser Hardware, haben wir eine Software dazugebaut — und das ist die Regulierung. Also wir haben gesagt: Na ja, das Gas kann zwar jetzt physisch fließen, aber was wir auch tun müssen, wir müssen es effizient bepreisen.
Und was da ins Spiel kommt, sind eben drei Liberalisierungspakete, die die EU-Kommission auf den Weg gebracht hat, die letzten Endes einen freien, kompetitiven Gasmarkt geschaffen haben. Die Idee dahinter war, dass man jederzeit, wenn man es will, ein Signal aus diesem Gasmarkt nach draußen senden kann und sagen kann: Schenkt uns mehr Gas. Der Mechanismus hier ist natürlich der Gaspreis. Der Gaspreis muss sich frei bilden können, sonst funktioniert das nicht. Und genau das ist natürlich das, was wir jetzt gerade sehen. Wir sehen eine Knappheit auf dem internationalen Markt. Der Gaspreis geht hoch und im Endeffekt haben wir es nicht mit einer Situation zu tun, wo in irgendeiner Art und Weise Knappheit zu befürchten ist, sondern schlicht ein hoher Gaspreis. Wir werden einfach schlicht mit den Asiaten in einen Wettbewerb treten müssen und sagen müssen: Was zahlt ihr für euren LNG-Cargo? Okay, dann legen wir dasselbe Geld auf den Tisch oder vielleicht ein bisschen mehr. Denn unsere Verflüssigungskapazitäten in Europa, die sind relativ hoch, sie werden nur einfach nicht genutzt. Sie liegen ja frei. Wir könnten sie nutzen. Dafür müssten wir nur einfach mehr Geld zahlen. Insofern ich wäre ein bisschen entspannter, was die Russen angeht, was die Lieferung angeht und vor allem, was die ganze Frage Nordstream 2 angeht. Wir haben einen kompetitiven, gut regulierten, funktionierenden Gasmarkt, der sendet Preissignale. Genau das soll er tun. Und jetzt schauen wir mal, was der Winter bringt.
Carsten Roemheld: Und mal von der anderen Seite gefragt: Die Abhängigkeit von Russland ist ja nach wie vor sehr, sehr hoch, gerade von Deutschland. Ist das etwas — weil sie gerade von LNG auch sprachen aus anderen Ländern, was wir viel zu wenig nutzen — ist das nicht etwas, was wir breiter diversifizieren sollten, um damit einfach mehr andere Möglichkeiten für Energieimporte sozusagen zu gewährleisten?
Andreas Goldthau: Ich meine, diese Diversifizierung ist immer gut. Man sollte sich jetzt nie auf einen Anbieter verlassen, das macht man ja auch an anderer Stelle nicht …
Carsten Roemheld: Bei uns auch im Finanzgewerbe, genau.
Andreas Goldthau: Exakt! Ich wollte gerade aufs Finanzgewerbe kommen. Ich glaube, ein gutes Portfolio ist ein diversifiziertes Portfolio. Genau das sehen wir natürlich auch im Gasmarkt. Russland hat eine dominante Stellung, aber ich würde nicht sagen, dass Russland eine preissetzende Stellung hat. Das ist ein großer Unterschied. Also die Tatsache, dass Russland knapp an 50 % rankommt im europäischen Importmix ist eine dominante Stellung, aber es ist keine Stellung, die Russland erlaubt, den Preis unilateral zu setzen. Im Gegenteil, so als Nebenbemerkung: Ich meine, es konkurriert natürlich auch russisches Gas mit russischem Gas. Das eine kommt eben über Nordstream 2, das andere kommt dann über den Osten, über die Ostroute, über die Ukraine und wird bepreist im Baumgarten in Österreich, wo sich dann Moleküle untereinander im Wettbewerb befinden und wo es relativ egal ist, wo sie ursprünglich herkamen. Da haben die einfach keine nationale Flagge mehr.
Aber die Diversifizierung ist natürlich wichtig, aber ich glaube, was fast noch wichtiger ist, ist einfach schlicht Optionalität. In dem Moment, in dem ich in der Lage bin, potenziell andere Importkanäle anzuzapfen, ist es relativ egal, wer momentan zu einem bestimmten Zeitpunkt ein dominanter Zulieferer ist oder ein dominanter Importeur. Sondern es geht ganz prinzipiell darum, dass, wenn das zum Problem wird, über Optionalität andere Importquellen angezapft werden können. Und genau das haben wir ja getan. Wir haben mehrere Pipelines gebaut, die über unterschiedliche Kanäle Gas in die EU bringen. Aber auch vor allem haben wir unsere LNG-Häfen ausgebaut und sind in der Lage, über Tanker verflüssigtes Erdgas in die EU hineinzubringen. Und das sind durchaus signifikante Kapazitäten, die wir da aufgebaut haben. Wir könnten nominal — also nominal, nicht praktisch, aber nominal — die russischen Importe mehr oder weniger durch LNG ersetzen. Das sind ungefähr die Kapazitäten, die wir haben.
Wir tun’s nur nicht. Warum? Weil das russische Gas einfach billiger ist. Und da sind wir wieder beim Preis. Es geht wirklich meiner Meinung nach nicht darum, ob wir hier einen Spieler haben, der dominant Marktpreise setzen kann, sondern es ist halt die Frage: Von wem wollen wir das Gas haben? Und die Antwort ist im Moment: von demjenigen, der das beste Angebot macht. Das sind immer noch die Russen.
Carsten Roemheld: Das leuchtet vollkommen ein. Wie sehen Sie denn generell die Rolle von Gas bei der Energiewende? Das ist ja als Brückenbrennstoff quasi auch annonciert worden. Lässt sich das Versprechen jetzt bei der aktuellen Situation noch halten?
Andreas Goldthau: Wenn wir auf die Pläne der EU-Kommission schauen, dann ist es relativ klar, dass wir dekarbonisieren, und zwar auch relativ bald; nicht jeden Sektor sofort, aber bis 2050 müssen wir klimaneutral sein, CO₂-neutral. Das Zwischenziel ist 2030, dann müssen wir 55 % Reduktion geschafft haben in den CO₂-Emissionen verglichen mit 1990. Was das bedeutet, ist, dass letzten Endes bis 2030 der Energiemix in Europa relativ stabil bleibt; bis auf die Kohle, die verschwindet. Die geht relativ schnell raus, wird ersetzt durch Erneuerbare. Aber Gas und Erdöl bleiben noch im Moment dort, wo sie sind. Ab 2030 ändert sich das.
Ab 2030 geht die Erdölnachfrage in Europa — zumindest nach den gängigen Szenarien — runter und ebenso die Gasnachfrage. Das ist gewollt. Ersetzt werden sie durch andere Energieträger, die eben nachhaltig und erneuerbar sind, unter anderem eben über Solar, PV, Wind und ähnliche Quellen. Was man aber noch macht, ist: Man stellt sicher, dass nicht mehr zumindest öffentliche Gelder in fossile Infrastruktur hineingesteckt werden, also die sogenannten ‚progressive common interests‘, die zentral sind, um so was wie Energieinfrastruktur unter anderem aufzubauen und weiterzutreiben in der EU. Die werden keine fossilen Infrastrukturen mehr enthalten; also keine Gaspipelines, keine Kohlekraftwerke oder ähnliches in der Richtung. Die Europäische Investmentbank wird keine fossilen Projekte mehr unterstützen mit öffentlichem Geld. Seit diesem Jahr ist das vorbei. Und in Zukunft werden es nur noch erneuerbare und nachhaltige Energieprojekte und Infrastrukturprojekte sein, die sie unterstützt.
Das heißt, was man hier macht, ist: Man schwenkt nicht nur in der Zielsetzung um, sondern auch in der Frage, wo öffentliche Gelder hinlaufen. Und zum Dritten versucht man — das ist natürlich sehr wichtig — den Privatsektor anzureizen und zu sagen: Könnt ihr nicht bitte in die richtigen Sachen investieren? Dazu schafft man die EU-Taxonomie. Also letzten Endes ein Regelbuch, in dem steht auf der einen Seite: Hier sind die Sachen, die sind grün, die finden wir gut. Und auf der anderen Seite steht: Hier die Sachen sind braun, die finden wir nicht gut. Und wenn ihr in die grünen Sachen investiert, dann verspricht das einen ‚Return on Investment‘, der einigermaßen sinnvoll ist, und das andere, das wären dann potenziell ‚Stranded assets‘; das wollt ihr nicht haben.
Und der Grund, warum das wichtig ist: Weil damit schafft man im öffentlichen und im privaten Bereich und natürlich im gesamten regulatorischen Umfeld die Bedingungen, dass man eben diese 2030- und 2050-Ziele auch erfüllt. Warum ich das sage, ist, weil es damit relativ klar wird, dass Gas einfach keine Zukunft mehr hat. Wenn Gas wirklich eine Brückentechnologie sein soll, dann ist die Brücke recht kurz. Also ich würde sagen, die reicht vielleicht bis in die frühen 30er hinein und das war’s dann.
Carsten Roemheld: Und ist das realistisch, dass das auch alles so funktioniert? Wir haben eine Komponente noch nicht genannt. Ich gebe zu, es ist eine etwas brisante Diskussion: das Thema Kernkraft. Weil’s ja irgendwo ein — wie soll ich sagen? — ein Nischendasein führt. Das ist in vielen Ländern wie bei uns auch nicht gewollt und wahrscheinlich auch unrealistisch, dass darauf noch einmal zurückgegriffen wird. Aber wäre das aus Ihrer Sicht eine gute Variante, um die Sache sozusagen realistischer und stabiler aufzustellen? Oder kommen wir auch ohne die Kernkraft — also wir — aus? Andere Länder haben es ja. Aber reicht das aus insgesamt für diese Energiewende?
Andreas Goldthau: Da sind, glaube ich, zwei Sachen dazu zu sagen; und das ist ziemlich unabhängig davon, wie man zur Kernkraft steht. Das ist ja wirklich eine interessante Technologie; die ist sozialpolitisch sehr stark aufgeladen und … Aber in die Richtung will ich gar nicht hin!
Ich glaube, es gibt zwei Dinge, die da wichtig sind. Zum einen muss man sich, glaube ich, verdeutlichen, wie das Energiesystem der Zukunft aussehen wird. Das Energiesystem der Zukunft ist ein sehr dezentrales System. Das ist ein System, in dem regionale Realitäten, Energiegeografien — zum Beispiel mit der Frage, was kann dort an Energieressourcen genutzt werden: Ist es Wasserkraft, ist es Wind? Was ist es? Ein Energiesystem, in dem diese regionalen Energiequellen geographisch sehr viel stärker zum Tragen kommen. Gleichzeitig wird das Systems sehr dezentral, denn wir werden eine sehr intensive Steuerung zwischen Konsumenten und Produzenten haben. Manchmal werden die sogar die Rollen tauschen oder sich miteinander vereinen und werden zum Prosumenten. Das heißt, in dem Moment, dem ich Energie konsumiere, bin ich gleichzeitig eventuell Produzent. Vielleicht habe ich ein Solarpanel auf dem Dach, eventuell bin ich ein Teil einer regionalen Unternehmung, die die lokale Energie erzeugt oder ähnliches. Mein Auto kann Teil der lokalen Netzwerkstabilität werden, indem ich es als Batterie zur Verfügung stelle. Also das heißt, es wird sehr, sehr viel granularer.
Und im Umkehrschluss allerdings muss halt das verschwinden, was vorher das Energiesystem ausgemacht hat; nämlich eine sehr zentrale Versorgung mit Energie-Input, Konversion, Energie-Output und dann zum Schluss die Verteilung an den Endkonsumenten und die Industrie. Warum ist das wichtig? Weil Nuklearreaktoren sind einfach Anlagen, die in kurzer Zeit eine riesige Menge an Energie liefern, aber sehr zentral. Und in einem sehr dezentral organisierten System haben wir einfach schlicht keinen Platz mehr. Wir reden ja nicht mehr über so ein Problem wie die Grundlast. Die Grundlast wird ein Stück weit oder größtenteils einfach schlicht verschwinden. Man braucht Backup-Kapazitäten, über die muss man sich Gedanken machen, aber diese Idee der Grundlast, die man zum Beispiel über Kernkraft lösen muss, die ist nicht mehr da. Das heißt also: Große Kernkraftwerke haben einfach schlicht in dem System keinen Platz mehr. Sie stören im Gegenteil. Sie können potenziell Instabilitäten erzeugen in einem System, das einfach sehr dezentral, smarter, sehr viel reaktiver auf Konsumentenverhalten organisiert ist. Und damit werden sie eher zum Problem als zur Lösung.
Aber die zweite Sache, die mir wichtig ist, ist: Kernkraftwerke haben eine unfassbar schlechte Ökonomie. Sie kosten extrem viel Geld, sie werfen nicht sehr viel Geld ab, die Input-Faktoren, die reingehen über die Brennstoffe, sind sehr volatil im Preis. Und was wir jetzt gerade in ‚Hinkley Point C‘ sehen, das erleben die Briten gerade ja hautnah, ist: Es kann gerne mal 10, 15 Jahre länger dauern, bis so ein Kernkraftwerk steht. Und die Preise sind dramatisch hoch. Damit ist die Kernkraft meiner Meinung nach raus, denn wir haben einen systemischen Grund und gleichzeitig haben wir eine schlechte Preisstruktur verglichen mit anderen Energieträgern und sehr lange Zeithorizonte hinein in eine Zeit, die wir gar nicht mehr haben. In 15 Jahren wollen wir ganz woanders stehen. Wenn wir jetzt anfangen, auf Kernkraft zu setzen, um heutige Energieprobleme zu lösen, dann löst sie vielleicht irgendwelche Probleme in 10, 15 Jahren. Aber da sind wir schon sonst wo. Die Kernkraft wird nicht die Lösung sein.
Es wird eventuell eine Möglichkeit geben, über modularere Reaktoren nachzudenken, die eventuell in bestimmten, aber wahrscheinlich auch Nischenbereichen Anwendung finden. Ich möchte aber ganz ehrlich gesagt auch nicht drüber nachdenken, was passiert, wenn jeder sich seinen Reaktor in den Garten stellen kann. Ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber das ist eine Proliferation von einer Technologie, die nicht prolifiert werden sollte, schon gar nicht in Länder, die damit Zugang dazu bekämen. Ich glaube, dabei lasse ich das mal kurz.
Carsten Roemheld: Herzlichen Dank, Herr Professor Goldthau, für die deutlichen Worte. In der Tat würde die Proliferation von Kernkraftanlagen, also die schnelle und breite Streuung über die ganze Welt, wohl manchen unruhig schlafen lassen. Die Alternative liegt, wenn ich Sie richtig verstehe, in steigenden Energiepreisen. Darüber und die weltweiten sozialen Folgen sprechen wir dann im zweiten Teil.
Wir hören uns, Ihr Carsten Roemheld.
Transkript zum Podcast — Teil 2
Gefährdet teure Energie unseren Wohlstand? — Teil 2
Carsten Roemheld: Die Energiepreise werden weiter steigen. Das ist nicht nur politisch gewollt, sagt der Klimapolitikforscher Andreas Goldthau, es ist auch klug. Bloß: Was kann der Staat tun, um die Kosten bei denen abzufedern, die finanziell schlicht überfordert sind, wenn der Sprit immer teurer wird?
Im zweiten Teil unseres Podcasts spreche ich mit Goldthau auch über die Weltregionen, die unter dem Umbau zur CO₂-freien Wirtschaft leiden werden; über Entwicklungsländer und Petrostaaten wie Nigeria, Angola oder Algerien, die ohne Öl- und Gas-Verkäufe vor dem Ruin stehen. Welche Rolle spielt dabei die EU? Hören Sie, was Professor Goldthau zu sagen hat.
Carsten Roemheld: Ich möchte gerne mal auf die CO₂-Steuer eingehen, denn die soll ja bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne steigen, was aus heutiger Sicht mehr als eine Verdoppelung wäre. Müssen wir uns daran gewöhnen, dass das eben stark steigt? Mit welcher Entwicklung in diesem Bereich rechnen Sie für die kommenden Jahre?
Andreas Goldthau: Ich glaube, die kurze Antwort auf die Frage ist schlicht: ja. Der Preis ist der Mechanismus, der Konsumentenverhalten regelt; zumindest in einer kapitalistisch organisierten und marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft. Wenn ich jetzt ein Problem habe wie zum Beispiel den Klimawandel und der Klimawandel darauf zurückzuführen ist, dass die sozialen Kosten und die privaten Kosten des Konsums nicht übereinstimmen — das nennen wir klassisch eine „Externalität“ —, dann gibt es nur recht wenige Möglichkeiten, das marktkonform zu bereinigen. Und die eine Möglichkeit, das zu tun, ist, indem man einfach sagt: Na ja, gut, dann schaffen wir eben Emissionszertifikate, einen Emissionszertifikatshandel und eine CO₂-Bepreisung und versuchen über Angebot und Nachfrage in einem Emissionszertifikatshandel, diesen Preis so weit zu regeln, dass der Konsument sein Verhalten ändert.
Die Alternative wäre Top-down-Regulierung: Ich verbiete irgendwas. Das will man nicht, also sagt man: Wir gehen über die CO₂-Bepreisung. Das ist eine sehr gute Art und Weise, das zu tun, und es gibt dem Konsumenten eine Wahl. Man sagt jetzt nicht: Ich verbiete was und dann darfst du es nicht mehr tun. Sondern man sagt: Du kannst es weiter tun, es kostet dich nur mehr Geld.
Also diese Internationalisierung dieser Externalitäten ist etwas, was man über den Preis versucht zu steuern. Und dieser Preis wird sich in Zukunft eben nach oben bewegen. Das ist politisch so angedacht und es macht natürlich auch Sinn. Man verknappt also nach vorne gedacht die Anzahl der Emissionen im System und die Zertifikate, die gehandelt werden können, und damit steigt der Preis. Das wird der in allen Sektoren tun. Wir werden uns also einem Preissignal gegenübersehen in Gebäuden: Wie viel will ich für Heizung ausgeben oder dämme ich vielleicht lieber? Ist das eine gute Investition? Will ich dieselbe Heizung haben oder eine effizientere? Oder will ich vielleicht gleich auf Fernwärme gehen?
Das sind alles Fragen, die sich rationale Individuen natürlich stellen in dem Moment, in dem der Preis nach oben geht. Und sie sehen: Na ja, dieses Jahr oder diesen Monat zahle ich so und so viel mehr, das rechne ich mal nach oben, schau mal, was das im Jahr ist, und dann kann ich mal gucken: Lohnt es sich vielleicht einfach die Dämmung vorzunehmen oder nicht?
Wir werden es aber natürlich auch in anderen Bereichen sehen, jetzt nicht nur im Gebäudesektor. Wir werden sehen, dass Menschen bewusstere Konsumentenentscheidungen treffen. Das fängt an mit dem Wochenendtrip, den man bis vor Kurzem noch nach Mallorca gemacht hat. Muss der sein? Die Frage ist vielleicht nicht nur: Muss er es sein? Sondern: Ist die Kosten-Nutzen-Rechnung immer noch dieselbe, wenn ich einen CO₂-Preis zum Beispiel auf Kerosin habe? Dann wird mein Flug einfach teurer. Der Urlaub kann immer noch wunderschön sein, aber ich muss mich eventuell bewusster dafür entscheiden. Und das geht weiter bis hin zur Frage: Wie bin ich mobil? Was für ein Auto kaufe ich? Ist es ein Verbrenner? Ist es ein batteriebetriebenes Auto? Brauche ich’s überhaupt? Geh ich nicht vielleicht doch in ein Sharing-Modell? Das heißt, diese Preissteigerung, die wird enorm wichtig sein, um Konsumentenverhalten zu ändern. Und deswegen ist sie so wichtig und genau deshalb muss der Preis steigen und er wird es auch tun.
Aber es ist eine Frage, die dabei vielleicht noch eine sehr große Rolle spielt und da gehen wir ein bisschen weg von quasi dem Public-Policy-Textbuch, das uns ja alles so schön erklärt, wie das denn so laufen könnte. Die Frage ist wirklich auch eine soziale. Was passiert mit Menschen, die vielleicht nicht in der Lage sind, einen erhöhten CO₂-Preis sofort in Konsumptionsentscheidungen umzusetzen, weil sie zum Beispiel nicht genug verdienen? Weil ein großer Teil ihres Einkommens in Energiekosten geht. Oder in Mobilitätskosten. Oder eben in das Auto, das sie unbedingt brauchen. Und hier wird es jetzt extrem wichtig sein, quasi diese Signale über die Bepreisung noch mal mit einem politischen Mechanismus abzufedern, der es diesen Menschen erlaubt, weiterhin ein gutes Leben zu führen; auch angesichts der Tatsache, dass sie ein Teil der Energiewende sein werden und müssen.
Es gibt hier viele Möglichkeiten, darüber nachzudenken. Es gab im Wahlkampf die Idee eines Energiegeldes zum Beispiel. Das ist eine ziemlich gute Idee. Denn letzten Endes, worüber wir hier sprechen, ist ja eine Pro-Kopf-Ausschüttung der Einnahmen, die aus der CO₂-Bepreisung oder dem Emissionshandel erzielt werden. Das heißt, was man da macht, ist eigentlich smart. Man sagt: Die Steuersenkung ist da über die Bepreisung, Menschen verändern ihr Verhalten, aber gleichzeitig gebe ich die Einnahmen zurück. Das heißt, es tut weniger weh. Und das funktioniert schön in der Theorie, aber auch in der Praxis wurde das ja durchaus schon getestet.
In der Schweiz haben wir so was. Dort wird das gemacht. Kanada hat es vorgemacht. Kanada gibt einfach schlicht einen Teil der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung bzw. dem Emissionshandel als sogenannte Klimaprämie zurück an die Bürger. Und auch in den USA haben wir mittlerweile eine interessante Diskussion. Da gab es neulich eine Reihe von Nobelpreisträgern, die sich zusammengeschlossen haben, einen Appell verfasst haben und eine sogenannte Klimadividende gefordert haben. Das ist nichts anderes als ein Energiegeld. Und damit kann man diese wichtige soziale Frage abfedern, denn die müssen wir schon im Blick haben; denn es würde uns relativ wenig helfen, das Klima zu retten, aber eine sehr gespaltene Gesellschaft zu hinterlassen. Wir müssten beides irgendwie zusammenkriegen.
Carsten Roemheld: Ein extrem wichtiger Punkt und von daher auch eine sehr gute Idee, das mit dieser Klimadividende oder dem Energiegeld eben auszugleichen, die sozialen Aspekte. Ich würde noch mal gerne auf eine Frage kommen, die durch die Pandemie vielleicht entstanden ist. Und wenn ich die globalen Lieferketten anschaue, dann sind ja viele Dinge in der Pandemie sozusagen auch schiefgegangen oder Lieferketten wurden eben unterbrochen. Viele Unternehmen denken darüber nach, ihre Produktion vom Ausland in die Heimat zu übertragen. Und Sie haben sich schon geäußert, dass Sie kein Freund sind des sogenannten Reshorings, also der Tatsache, das alles wieder in die Heimat zu bringen, gerade jetzt auch im Blick auf die Energiewende. Können Sie das noch mal für uns begründen, vielleicht? Warum Sie das nicht gut finden?
Andreas Goldthau: Also ich habe ganz prinzipiell gar nichts dagegen, wenn Unternehmen kluge Entscheidungen treffen. Das tun sie ja in dem Moment, in dem sie auf Signale reagieren, die der Markt gibt. Also ein Unternehmen, das sich von einem Land ins andere bewegt oder die Produktion verlagert oder eventuell einfach sich neu orientiert. Global tut es das ja aus Gründen und die haben sehr oft einfach was mit dem ‚Return on Investment‘ zu tun und der Frage, wo sie Geld verdienen können. Da habe ich relativ wenig zu zu sagen, denn das ist eine unternehmerische Entscheidung.
Was ich persönlich schwierig finde, ist, wenn man versucht, aus politischen Gründen die Wertschöpfungsketten zu verlagern oder zu manipulieren. Das heißt, wenn man sagt: Es gibt bestimmte Dinge, die werden, sagen wir, in China produziert, und wir wollen, dass sie aber wieder in Europa produziert werden. Trump hat das auch versucht. Trump hat in seinem Wahlkampf versprochen, er bringt all diese Jobs aus China zurück, und hat alles in Bewegung gesetzt, um dies zu tun; in der Stahlindustrie und in anderen Bereichen. Es hat nicht gut funktioniert, das hat nicht besonders gut funktioniert und das sagt uns auch schon, es ist eventuell auch keine besonders gute Idee. Man verbrennt schlicht Geld und politisches Kapital.
Aber der viel wichtigere Punkt ist: Warum Unternehmen sich international aufstellen und Lieferketten diversifiziert sind, hat sehr stark was damit zu tun, dass eben unterschiedliche komparative Kostenvorteile existieren. Das befördert Arbeitsteilung. Nicht jeder muss dasselbe machen, sondern man macht eben das, was man am besten kann und womit man wettbewerbsfähig ist. Und über die Zeit gedacht — natürlich ist das ein Teil dessen, was wir heute als Globalisierung bezeichnen — aber es führt natürlich auch zu Wohlstand. Denn in dem Moment, in dem man eine internationale Arbeitsteilung aufsetzt und jeder das tut, was er am besten kann, befördert das Kostenvorteile, die dann wiederum dem Konsumenten zur Verfügung stehen und damit haben wir eine internationale Erhöhung der der Wohlfahrt.
Das funktioniert so lange gut, bis dann Staaten auf die Idee kommen, dass sie vielleicht eventuell bestimmte Sachen, bestimmte Industrien so weit anreizen, dass sie dann schlicht nahezu exklusiv in einem Land existieren. Das sehen wir zum Beispiel in China im Bereich der Solarindustrie. China ist ein sehr starker Produzent im Bereich der PV. Deutschland war das mal. Das hat sich verlagert und jetzt ist der Aufschrei groß: Warum haben wir das dann nicht mehr? Warum produzieren wir keine Solaranlagen mehr? Und da kommen wir dann auf dieses Thema „Reshoring“. Das ist jetzt nicht wie beim Stahl in den USA, sondern hier geht’s wirklich de facto um andere Dinge. Da geht es um Batterien, da geht es um PV-Anlagen, da geht es um all das, was man letzten Endes für die Energiewende braucht. Und die Idee ist, man müsse das jetzt zurückverlagern, damit man eine größere Sicherheit hat; dass angesichts fragiler Lieferketten oder vielleicht sogar eines strategischen Schachzuges Chinas — dergestalt, dass dann, was weiß ich, keine Batterien mehr da sind oder Ähnliches —, dass man die dann zur Verfügung hat.
Das ist meiner Meinung nach ein falscher Schritt aus vielen Gründen. Das Erste ist: Es ist relativ schwer, Produktion zurückzuverlagern. All das, worüber wir hier sprechen, das hat ja nichts mit Schuhproduktion zu tun oder so was, sondern das ist Hightech. Das heißt, da geht ein Haufen Prozessinnovation rein, bevor man überhaupt dort ist, wo man sein will, wenn man zum Beispiel im PV-Bereich skaliert, die Produktion hochfahren will. Prozessinnovation ist etwas, das geschieht über Jahre, Jahrzehnte. Das kann man nicht einfach irgendwie anreizen und sagen: Na ja, das holen wir jetzt zurück nach Europa. Im Zweifelsfall kriegt man es nicht hin oder nicht richtig. Das heißt, — da bin ich wieder beim ersten Punkt — man verbrennt Geld.
Zum Zweiten ist es extrem wichtig, zu sehen, dass all das, was wir jetzt gerade vorhaben im Bereich der globalen Energiewende, eine extreme Skalierung benötigt im Bereich Erneuerbare, „Smart Metering“, Konversionstechnologien, Speicher und so weiter und so fort. Wenn wir diese Skalierung hinbekommen wollen, dann machen wir besser globale Arbeitsteilung und dann vertrauen wir lieber darauf, dass das, was vorher schon in anderen Sektoren sehr gut funktioniert hat, auch im Bereich der erneuerbaren Energien und der „Clean Technologies“ funktioniert.
Wir sind erst am Anfang. Das bisschen, was wir jetzt auf dem Dach haben oder irgendwo an Windparks rumstehen haben, das ist ja nicht annähernd das, was wir brauchen in der Zukunft. Und die Skalierung hinzubekommen, das ist etwas, das kriegen wir nur hin, wenn wir globale Arbeitsteilung ernst nehmen. Das Letzte, was wir jetzt anfangen sollten, ist zu sagen: Wir holen uns ein bisschen was von der PV-Produktion zurück. Im Gegenteil, wir sollten eher schauen, dass PV-Produktion überall sonst noch passiert, damit diese Skalierung hinhaut, die Technologiekosten nach unten gehen und damit die weltweite Verteilung dieser Technologie und der Installierung von erneuerbaren Energieanlagen weltweit am schnellsten funktioniert. Das ist mein Punkt. Deswegen halte ich relativ wenig von Reshoring und Nearshoring; insbesondere dann, wenn da große, starke öffentliche Gelder dahinterstehen.
Carsten Roemheld: Ich glaube, ein Punkt ist sehr, sehr klar geworden: unternehmerische Entscheidungen ja, aber politische Entscheidungen, wenn man so will, eben nein; und die globale Arbeitsteilung macht absolut Sinn. Hat auch Kostengründe natürlich, von denen dann alle am Ende profitieren.
Lassen Sie uns zum Schluss der Diskussion noch ein bisschen auf die Klimaziele kommen. Und wir haben ja sehr ambitionierte Klimaziele mit dem Pariser Abkommen und die EU hat natürlich schon ihren Teil jedenfalls auf das Programm geschrieben. Klimaschutz ist aber teuer und viele Entwicklungsländer zum Beispiel verfügen nicht über die gleichen finanziellen Ressourcen wie die OECD. Es wird sehr wichtig sein, auch große Entwicklungsländer mit ins Boot zu holen. Wie schaffen wir das? Und wie kann die EU vielleicht auch ihren Beitrag dazu leisten, dass es insgesamt eine gemeinsame Anstrengung.
Andreas Goldthau: Ich glaube, das Wichtigste am Anfang ist, erst einmal prinzipiell anzuerkennen, dass eben nicht alle gleich schnell sind. Wir hatten in der EU immer die Idee, dass man einfach erneuerbare Energien möglichst billig machen muss, und dann funktioniert das schon. So ist es aber nicht. Denn selbst wenn man jetzt Erneuerbare relativ billig bekommen hat — und wir hatten ja Kostendegressionen von 80, 90 % bei PV die letzten 10 Jahre —, dann heißt das noch lange nicht, dass in Entwicklungsländern, also Ländern außerhalb der OECD, und da nehme ich jetzt mal China explizit aus, China ist ein Industrieland; dass in diesen Ländern, der ‚Case‘ dafür da ist, dass basierend auf bereits billigen erneuerbaren Energien ein Business aufgebaut werden kann, das eben in diesen Ländern dann auch Mehrwert schafft.
Das hat sehr viel damit zu tun, dass Leute teilweise einfach schlicht arm sind. Es ist also schwer, zu sagen: Ich gehe jetzt da hin, baue eine Anlage auf mit relativ hohen ‚upfront costs‘, also hohen Anfangsinvestitionen, — das ist der Fall bei Erneuerbaren — und versuche dann, einen Case aufzubauen über die nächsten 10, 15 Jahre hinweg, um das zu amortisieren. Das funktioniert nicht, wenn ich nicht diesen Nachfragesog habe, der diese Länder eben nicht auszeichnet, weil eben die Menschen schlicht nicht genug für Energie zahlen können. Oder vielleicht zum Beispiel, weil die Energiemärkte nicht offen genug organisiert sind, um das möglich zu machen. Das heißt also, selbst wenn ich jetzt billige Energien habe oder erneuerbare Energien, heißt es noch lange nicht, dass es zu diesen Menschen kommt. Und das ist einer der Gründe, warum wir so einen stockenden Ausbau haben in manchen Ländern, die, obwohl sie eine große Ausstattung mit erneuerbaren Energieressourcen haben, immer noch nicht in der Lage sind, den Anteil der Erneuerbaren nach oben zu schrauben.
Es gibt noch einen anderen Punkt und damit komme ich gleich noch mal zurück auf die Frage, was die EU machen kann. Entwicklungsländer bekommen nicht genügend ausländische Direktinvestitionen; gemessen an dem, was sie eigentlich benötigen würden, um ihre wirtschaftliche Entwicklung nach vorne zu treiben. Auf dem Rücken von FDIs, also die ausländischen Direktinvestitionen, kommt üblicherweise Technologie. Denn es ist ja nicht nur Kapital, das ins Land kommt, es kommt auch eine Anlage, es kommt eine Industrieanlage oder ähnliches. Findet also FDI nicht statt, gibt es keinen Technologietransfer. Und genau das bräuchten diese Länder aber, um die Dekarbonisierung noch vorne zu treiben. Und genau hier müsste man wiederum bei der EU ansetzen. Man müsste also sagen: Es gibt strukturelle Gründe, die in diesen Ländern nicht vorhanden sind und da setzen wir an.
Und zum Zweiten müssen wir schauen, dass wir den Technologietransfer organisieren; eventuell mit öffentlicher Unterstützung, wenn es privat nicht geleistet wird. Und dann gibt es Möglichkeiten, da gibt es Mechanismen. Wir haben europäische öffentliche Banken, die könnten ins „De-Risking“ mit hineingehen; stärker, als sie es eh schon tun. Die Europäer sind zwar gute Klimafinanzierer, wir finanzieren sehr viel weltweit von dem, was überhaupt an Klimafinanzierung vorhanden ist, aber wir könnten noch sehr viel mehr tun. Wir könnten wirklich in Projekte hineingehen und sagen: Wir machen das sogenannte „De-Risking“, wir schauen, dass dafür ein Case da ist, dass das dann wirklich auch gebaut wird, obwohl die lokalen Bedingungen nicht ideal sind.
Man könnte aber auch schauen, dass man sich stärker in Technologietransfer-Initiativen engagiert; dass man also sagt: Wenn der private Sektor über die Direktinvestitionen das nicht leisten kann, dann gehen wir eben mit hinein und schauen, dass wir zusammen mit dem Privatsektor in PPPs oder Ähnliches den Technologietransfer mit organisieren. Wir fangen an, darüber nachzudenken. Also wir haben jetzt mittlerweile Energiepartnerschaften mit mehreren Ländern aufgebaut, von Marokko bis Saudi-Arabien, Chile ist dabei. Das ist alles sehr viel Wasserstoff, aber da gibt’s noch viel Ausbaupotenzial. Wir machen das, aber meiner Meinung nach denken wir nicht weit genug. Was wir letzten Endes tun müssten, ist, wir müssten Klimapolitik, Entwicklungspolitik und Außenhandelspolitik zusammendenken. Weil dann bekommen wir den Mix hin, um genau diese Defizite auszugleichen, die halt in diesen Ländern verhindern, dass ausreichend Erneuerbare dort Fuß fassen.
Carsten Roemheld: Sehr guter Punkt, die ganzen Dinge zusammenzubringen und auch den Privatsektor natürlich sehr stark an dieser Entwicklung zu beteiligen. Ich würde gerne noch mal auf die erdöl- und gasexportierenden Länder kommen, die ja vielfach einen Grundpfeiler ihres Wohlstandes sozusagen haben in der Produktion dieser fossilen Energiebrennstoffe. Was bedeutet diese Energiewende für diese Länder in Zukunft? Wie können die sich darauf vorbereiten?
Andreas Goldthau: Es kommt sehr darauf an, mit welchen Staaten wir es zu tun haben: Es gibt Staaten, die exportieren Öl; dann gibt es Staaten, die exportieren Öl und bestreiten einen großen Anteil ihres Sozialprodukts damit; und dann gibt’s Staaten, die noch obendrauf einen guten Anteil ihres Budgets damit bestreiten. Und die beiden Letzteren haben potenziell ein Problem. In dem Moment, in dem der Ölmarkt kleiner wird, gibt es weniger zu verteilen; aber der Ölmarkt wird nach vorne gedacht auch softer. Das heißt, er wird einen anzunehmenderweise geringeren Preis für das Produkt erzielen. Einfach schlicht, weil es weniger Nachfrage geben wird. Und das bedeutet natürlich auch, dass gerade Länder, die hohe Einnahmen aus dem Öl erzielen, sich die Frage stellen müssen, wie ersetzen sie das. Das Problem ist, nicht viele tun das.
Es gibt einige Staaten, die versuchen sich quasi ein bisschen nach oben die Wertschöpfungskette hinaufzubewegen und in die Petrochemie hineinzugehen. Das heißt, sie sagen: Wir gehen jetzt weg vom Ölverkaufen und versuchen, dort hineinzugehen, wo die höhere Marge ist. Das kann man machen, wird aber eventuell auch nicht allzu lang funktionieren. Dann gibt’s welche, die machen gar nichts. Es sind also Staaten wie zum Beispiel Algerien. Da passiert nicht besonders viel, sondern die machen einfach weiter wie bisher. Und dann gibt’s Staaten, die denken: Na ja, wir machen halt irgendwann das Licht aus, weil wir das können. Saudi-Arabien zum Beispiel. Saudi-Arabien hat relativ geringe Produktionskosten und ist damit in der Lage, relativ lange am Markt zu bleiben.
Das sind also unterschiedliche Strategien, damit umzugehen, aber ich glaube, eine Sache ist noch mal wichtig, sich vor Augen zu halten: Es gibt natürlich auch unterschiedlich gute Voraussetzungen und Ausgangspositionen für einzelne Länder. Saudi-Arabien zum Beispiel ist schlicht ein reiches Land. Die sind in der Lage, sich zum Beispiel in neue Technologiebereiche hineinzukaufen, wenn’s sein muss. Wenn sie das wollen, tun sie das. Russland ist ein Petrostaat, aber er ist nicht ein Petrostaat, weil es sein muss, sondern das ist eine Wahl der Eliten, dass sie die Renten abschöpfen, anstatt etwas anderes zu tun. Eigentlich ist es ein Industrieland. Das heißt, Russland selber wird auch nicht so wahnsinnig hart getroffen werden von der Dekarbonisierung, sondern es sind eher Länder, die wirklich keine andere Alternative haben.
Das sehen wir in Nigeria zum Beispiel, in Angola, Algerien ist hier zu nennen; also Staaten, die wirklich rein auf den Petrosektor setzen. Und da wird es dann natürlich schwierig sein, denn in diesen Ländern existiert ein impliziter Sozialvertrag. Der ist dergestalt, dass man sagt: Na gut, eine politische Elite, nicht gewählt, nicht demokratisch legitimiert, — Nigeria, geht so — reklamiert das politische Geschäft für sich und verspricht im Gegenzug Wohltaten: öffentliche Sicherheit, gute Schulen, Jobs für die Jugendlichen, billige Energiepreise und all diese Dinge. Das geht so lange gut, wie der Sozialvertrag aufrechterhalten werden kann. In dem Moment, in dem das nicht mehr geht, weil die Regierung nicht mehr in der Lage ist, diese Jobs schaffen und einen aufgeblähten öffentlichen Sektor zu finanzieren, in dem Moment fängt der Sozialvertrag an, zu brechen. Und genau das wird eben der Fall sein, wenn Länder wie Algerien oder andere sich nicht umstellen.
Und vielleicht als Beispiel, was passiert, wenn ein Sozialvertrag bricht: Das haben wir schon ein paar Mal gesehen jetzt im Moment. Ganz akut Venezuela. Aber natürlich auch vor zehn Jahren beim Arabischen Frühling. Und das ist etwas, da sollte gerade die EU ein großes Auge drauf haben. Sie wird nicht für diese Länder Entscheidungen treffen können. Das ist klar; denn das sollte sie auch nicht. Das sind Entscheidungen dieser Länder. Was immer Regierungen dort tun, das tun sie. Aber, was die EU kann, ist zum einen versuchen, Angebote zu schaffen. Angebote im Sinne von Energiepartnerschaften, Alternativen — Wasserstoff wurde ja schon genannt —, ähnliche Dinge. Aber zum anderen muss sie natürlich auch die Sicherheitsrisiken ‚hedgen‘, die daraus resultieren können, dass Petrostaaten vor allem in der Region anfangen zu wackeln. Und das ist etwas, das sollten wir stärker in den Blick nehmen.
Carsten Roemheld: Ja, die soziale Frage ist eine ganz wichtige und lassen Sie uns in der Zusammenfassung vielleicht in der letzten Frage noch mal darauf kommen, weil das Thema soziale Gerechtigkeit natürlich ein wichtiges ist. Wir hatten es schon angesprochen ein wenig mit der Möglichkeit, Klimageld oder Energiegeld auszuzahlen. Aber gibt es noch eine andere Möglichkeit — auch jetzt zum Beispiel hierzulande —, die höheren Energiepreise irgendwie abzufangen, indem man Preisbremsen einzieht, zum Beispiel bei Strom und Gas? Wäre das auch eine Möglichkeit aus Ihrer Sicht? Oder ist da die Regulatorik einfach zu stark in dem Punkt, um das realistisch zu machen in unseren Ländern?
Andreas Goldthau: Also, was wir gesehen haben in der Pandemie, ist, dass der Staat ja doch durchaus ein großes Repertoire besitzt an Instrumenten, die es erlaubt, auch große wirtschaftliche Einbrüche — und das ist ja nichts anderes als das, was wir bei Corona hatten — zu überstehen; durch unterschiedlichste Mechanismen über Subventionen, über kreative Steuersysteme, über direkte Eingriffe in Märkte. Der Staat hat angefangen beispielsweise, Maskenverkäufe zu organisieren und ähnliche Dinge. Das ist ja etwas, was man eigentlich normalerweise von einem Staat nicht erwarten würde.
Das heißt, der Staat kann vieles tun. Und ich sehe auch gerade, dass das bei der Frage, ob und inwieweit das sozial abgefedert organisiert werden kann, der Staat eine große Rolle hat: Energiegeld, Klimadividenden oder Ähnliches. Aber ich glaube, was man auch sehen muss, ist: Wir werden ja ums Grundproblem nicht herumkommen. Also wir werden — es sei denn, wir schaffen den Kapitalismus ab, was ich glaube, hierzulande relativ wenige Leute tun wollen —, dann werden wir einen Preismechanismus brauchen, um die Energiewende einzuleiten, umzusetzen und zum Erfolg zu bringen.
Und das läuft einfach schlecht über den CO₂-Preis. Der ist zentral für alles auf Deutschlands Ebene, aber auch auf EU-Ebene. Der EU-Green-Deal ist nicht denkbar ohne die CO₂-Bepreisung. Insofern ja: Es gibt Möglichkeiten, abzufedern, geringer Verdienenden die Kosten der Energiewende, diese Kosten zu mildern. Das funktioniert, das kann man machen und da muss man smart werden. Aber die prinzipielle Idee eines Preissignales, die muss erhalten bleiben, sonst funktioniert das alles nicht. Insofern: Ich sehe da relativ wenig Alternativen zu dem, was man gerade angeht.
Carsten Roemheld: Sehr viele spannende und bisher auch noch teilweise ungelöste Fragen, aber Sie haben uns einen sehr, sehr guten Überblick heute gegeben über die Diskussion insgesamt. Ich glaube, es gibt noch viele Dinge auf dem Weg zu ‚Net Zero‘, die zu tun sind, aber wir sind auf einem guten und richtigen Weg und einige Dinge sind aber natürlich unterm Stichwort „unerwünschte Nebenwirkungen“ zu bedenken. Sie haben es sehr schön ausgeführt, dass man viele Dinge zusammenbringen muss, eben nicht nur über die Klimapolitik sprechen darf, sondern eben auch über soziale Gerechtigkeit und über andere Dinge, die sehr wichtig sind.
Insofern vielen, vielen Dank für Ihre wertvollen Einsichten, die hoffentlich auch für unser Publikum interessant waren. Ich hoffe, dass alle einiges mitnehmen konnten aus der heutigen Diskussion und viele interessante Punkte hatten und hoffe, dass wir uns beim nächsten Podcast wieder hören. Ich freue mich sehr darauf.
Vielen Dank, Herr Professor Goldthau für Ihre Beiträge. Vielen Dank Ihnen und ich hoffe, wir hören und sehen uns beim nächsten Mal wieder. Ihr Carsten Roemheld

Andreas Goldthau
Andreas Goldthau ist Inhaber des Franz-Haniel-Lehrstuhls an der Willy Brandt School of Public Policy, Universität Erfurt. Er ist zudem Forschungsgruppenleiter am Institut für transformative Nachhaltigkeitsstudien (IASS) in Potsdam.
Sein Forschungsinteresse gilt der politischen Ökonomie der globalen Energiewende. Prof. Goldthau hatte Professuren an der Universität London und der Central European University inne, und berät die Weltbank, UNDP sowie Privatunternehmen.
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