Metaverse: So könnte die virtuelle Welt unser Leben verändern

Kennen Sie schon das Metaverse? Die Rede ist nicht von Facebooks neuem Namen. „Metaverse“ steht für ein neues digitales Universum, in dessen 3D-Räumen wir vielleicht alle bald leben, arbeiten, einkaufen, lernen. Ist das die Zukunft? Viele Beobachter sehen das Metaverse als die nächste Entwicklungsstufe des Internets. Heute erleben wir das Internet als getrennt von der „physischen“ Welt. Im Metaverse verschmelzen die physische und die virtuellen Welten miteinander. Das erlaubt 3D-Aktivitäten und Erlebnisse, die sich kaum noch von der realen Welt unterscheiden lassen.

Computerspieler sind schon im Metaverse unterwegs

Sich in einer virtuellen Welt bewegen? Das hört sich noch wie Zukunftsmusik an – doch im Bereich der Computerspiele ist es bereits Realität. Fortnite, Minecraft oder Roblox: Solche Plattformen ermöglichen schon seit längerem virtuelle Spiele in mehreren Dimensionen. Die Nutzer amüsieren sich in virtuellen Vergnügungsparks, Konzerten und Filmpremieren.

Noch geht das nur mit Hilfe von Headsets und VR- bzw. AR-Brillen. Diese übertragen die Bewegungen dreidimensional in die virtuelle Welt. Weitere Gefühlsebenen sollen schrittweise hinzukommen und für ein immer realistischeres Gesamterlebnis sorgen.

Mehr als nur Spiele und Entertainment

Auch über Spiele und Entertainment hinaus soll das Metaverse völlig neue Konsummöglichkeiten eröffnen. Unternehmen wie Facebook, Microsoft oder Nike sehen riesiges Potenzial – und investieren große Beträge. Facebook hat durch seine Namensänderung in „Meta“ bereits ein deutliches Statement abgegeben. Viele andere Unternehmen ändern bereits ihre Strategie. Sie alle wollen durch Investitionen und Übernahmen an den Wachstumschancen teilhaben.

Sie finden, das klingt abstrakt? Tatsächlich spielen Metaverse-Ansätze in vielen Bereichen der Wirtschaft schon heute eine Rolle. Für viele neue Produkte erschaffen die Unternehmen beispielsweise „digitale Zwillinge“. So verkürzen sie die Entwicklungszeiten und ermöglichen deutlich schnellere Verbesserungen. Das gilt beim Autobau genauso wie für komplexe Großproduktionsstätten. Der Schlüssel dazu sind Daten und Rechnerleistung – Stichworte Big Data und künstliche Intelligenz.

Auch Forschungsinstitute oder Regierungen erstellen digitale Zwillinge von Fabriken, dem Straßenverkehr oder ganzen Städten. Die Europäische Weltraumorganisation arbeitet sogar an einem „Digital Twin Earth“. Damit will sie Klimaveränderungen und Wetter besser vorhersagen. Mit „Avataren“ kann jeder von uns in der virtuellen Welt agieren. Dadurch ergibt sich ein völlig neues Ökosystem. Es existiert parallel zur physischen Welt und die Grenzen verlaufen fließend.

Pandemie als Treiber

Leben in der virtuellen Welt – das könnte durch die Coronapandemie und ihre Kontaktbeschränkungen weiteren Auftrieb gewinnen. Gerade für den Bildungssektor ergeben sich viele interessante Anwendungsmöglichkeiten. Doch auch die Flucht vor einer oftmals als schwierig und stressig empfundenen Realität dürften viele – gerade jüngere – Menschen als reizvoll empfinden.

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Lukrative Gewinnquelle oder Hype?

Die Firmen versprechen sich eine attraktive Umsatz- und Gewinnquelle: Denn das Metaverse soll auch den Konsum auf eine neue Ebene bringen. Genau zu diesem Zweck hat Nike beispielsweise bereits ein „virtuelles“ Schuhlabel gekauft: Die Schuhe werden Menschen niemals tragen oder auch nur anfassen. Wie das geht? Die Technologie des Unternehmens ermöglicht es Käufern auf Social-Media-Plattformen so auszusehen, als würden sie diese Artikel tragen. Käufer können auch ihre Avatare in Videospielen damit ausstatten. Marken wie Gucci oder Ralph Lauren loten die Fashionzukunft mit digitalen Personas aus. Aus heutiger Sicht ist unklar, wie erfolgreich das Metaverse sein und wer das Rennen machen wird. Noch ist der Erfolg von VR- und AR-Experimenten überschaubar. Daher gibt es durchaus mahnende Stimmen: Skeptiker sehen den Versuch, dem Trend mit einfallsreichen Marketinglabels neuen Auftrieb zu verschaffen.

Das Ende des „einen“ Internets?

Es gibt einen wichtigen Unterschied zum herkömmlichen Internet: Seine Vordenker sehen im Metaverse eine dezentrale Struktur; es soll also aus vielen unabhängigen „Universen“ bestehen. Das heutige Internet wird vor allem von den Megakonzernen beherrscht und kontrolliert. Das soll durch eine offene Architektur ersetzt werden. In diesem Zuge sollen auch Künstler und Kreative wieder ein gutes Stück an Marktmacht zurückgewinnen. Eine Marktmacht, die durch das „Kopierenund- Einsetzen-Zeitalter“ des Web 1.0 verloren gegangen ist. Eine Grundlage dafür ist eine sichere Klärung der Eigentumsverhältnisse. Dafür ließe sich die Blockchain-Technologie heranziehen: Sie kennen das Stichwort vielleicht von Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Doch die Anwendungsmöglichkeiten gehen weit darüber hinaus. Auch andere Inhalte könnten mit Blockchains eindeutig identifiziert werden. Die Bezahlung ließe sich dann über Kryptowährungen abwickeln. Die großen Tech-Konzerne werden natürlich alles dafür tun, um ihre Version des Metaverse voranzutreiben. Am Ende entscheidet der Konsument: Er fällt letztlich das Urteil, wie erfolgreich das „Metaverse“ tatsächlich wird und wer die Innovatoren und Gewinner sein werden.

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