Der fossile Energiesektor hat an den Kapitalmärkten gerade einen Lauf. Kein Wunder: Die weltweite Nachfrage ist hoch, das Angebot knapp — in der Folge steigen die Preise für Öl, Gas und Strom auf immer neue Rekordhochs und mit ihnen die Gewinne der Unternehmen.

Fossile Energieträger dürften sich perspektivisch noch weiter verteuern, schließlich wird der CO₂-Preis steigen — auch das bietet Chancen auf höhere Margen. 

Lassen Sie sich nicht täuschen. Der Siegeszug der Erneuerbaren ist unaufhaltsam, die globale Klimawende schreitet voran. Laut Analysen der Denkfabrik Carbon Tracker könnten Solar, Wind und andere regenerative Energiequellen bis zum Jahr 2050 konventionelle Kraftwerke auf der ganzen Welt ersetzen.1 Setzt sich der Ausbau im aktuellen Tempo fort, dann lässt sich die Stromnachfrage bereits im Jahr 2035 ausschließlich durch erneuerbare Energien bedienen. Die Tage konventioneller Energieträger sind also gezählt.

Für die Betreiber von Kohle-, Gas- und Öl-Kraftwerken gilt das ebenso — wenn sie die Transformation zur Klimaneutralität verschlafen. Im Umkehrschluss heißt das: Die Unternehmen müssen den Übergang ins Net-Zero-Zeitalter jetzt schaffen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen: Konventionelle Energieversorger brauchen den Mut, ihr eigenes Kerngeschäft zu kannibalisieren, also schädlichen Technologien abzuschwören, auch wenn sie damit noch gutes Geld verdienen.

Klare Strategie für die Zukunft

Verstehen Sie mich nicht falsch: Konventionelle Energieunternehmen können ihre alten Produktionsverfahren noch eine Zeit lang einsetzen. Alles andere würde dem Erfolg der Energiewende sogar schaden, da wir für einen erfolgreichen Übergang zur Klimaneutralität auf eine wetterunabhängige und verlässliche Energieversorgung angewiesen sind. Gleichzeitig ist es allerdings unerlässlich, dass diese Unternehmen mit Hochdruck daran arbeiten, ihre fossilen Produktionsverfahren zu ersetzen oder zu erneuern.

In der Praxis geschieht dies bereits. Der Ölförderer Saudi Aramco hat jüngst angekündigt, seine Emissionen spätestens bis 2050 auf „Netto Null“ zu reduzieren und dafür eine Beteiligung an dem Erneuerbare-Energien-Start-up Energy Vault erworben.2 Auch der deutsche Kohlestrom-Gigant RWE will bis Ende des Jahrzehnts rund 50 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien investieren.3

Mein Fazit: Ohne die Mitwirkung der klassischen Energiewerte wird die Energiewende nicht gelingen. Diese komplett außer Acht zu lassen , würde einen großen potenziellen Erfolgsfaktor aus dem Spiel nehmen. Vielmehr lohnt es sich, den Weg im Diskurs mit den Unternehmen gemeinsam zu beschreiten. Schreiben Sie den Sektor also nicht pauschal ab. Aber achten Sie darauf, dass die Unternehmen eine solide Strategie für die Wende artikulieren.

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