Die US-Handelspolitik teilt die heimische Wirtschaft: Große Unternehmen handeln Zoll-Deals aus, kleine zahlen die Zeche. Marktkapitalisierung wird so zum politischen Risikofaktor. Trotzdem gilt: Wo die Bewertungskluft wächst, schlummern Chancen für Nebenwerte.

In Zollverhandlungen ringt die US-Regierung derzeit darum, wer welche Handelsabgaben zu welchen Konditionen trägt. Dabei gilt das Prinzip „Deal or no Deal“: Sind Unternehmen groß genug, verhandeln sie mit der Regierung. So sicherte sich Apple zuletzt Zollvorteile durch US-Investitionen in Milliardenhöhe. Nvidia und AMD müssen künftig eine Abgabe von 15 Prozent auf ihren China-Umsatz zahlen, dürfen dafür aber weiterhin in die Volksrepublik exportieren.1 Verhandlungsmacht wird damit zur neuen Währung – und Large Caps sind hier besonders liquide. Ein Handschlag mit Washington kann über Hunderte Millionen US-Dollar entscheiden.

Kleinere Unternehmen ohne Kontakte ins Weiße Haus bleiben außen vor. Sie müssen Zölle ohne Nachlass akzeptieren. Laut Schätzungen der US-Handelskammer fallen dadurch zusätzlich rund 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr an. Während großen Akteuren ein Sonderweg offensteht, schrumpfen bei den kleinen die Margen.  

Die Lehre lautet: In Trumps Amerika entscheiden nicht mehr Innovationskraft oder Effizienz über unternehmerischen Erfolg, sondern politische Beziehungen oder die schiere Größe eines Unternehmens. Diese Schieflage dürfte auch ihren Teil dazu beitragen, dass die Bewertungslücke zwischen Unternehmen des S&P 500 und des Russell 2000 zuletzt immer weiter gewachsen ist. Das Bewertungsgefälle zwischen Large und Small Caps ist so hoch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Der Russell 2000 notiert im Verhältnis zum S&P 500 auf einem historisch niedrigen Niveau.2 Gleichzeitig machen Small Caps nur noch rund vier Prozent der gesamten Marktkapitalisierung am US-Aktienmarkt aus.3  
 

Mut zur Lücke

In dieser wachsenden Kluft entstehen auch Chancen, denn eine so außergewöhnlich große Bewertungsdifferenz war schon oft der Nährboden für Trendwenden. Die Börsengeschichte hat immer wieder gezeigt, dass sich Small Caps und Large Caps in mehrjährigen Zyklen ablösen – meist übrigens im Takt von etwa sieben Jahren.3 Der aktuelle Zyklus ist eine der längsten Schwächephasen für die Kleinen seit Zeiten der Großen Depression. 

Nun könnte ein Impuls für eine Trendwende bevorstehen: Bei der jüngsten Fed-Sitzung gab es die von vielen erwartete Zinssenkung. Davon profitieren traditionell vor allem kleinere Unternehmen, die stärker auf Fremdkapital angewiesen sind.4 Zudem sind viele Small Caps mit ihrem US-Fokus besonders nah an der Inlandsnachfrage. Zinssenkungen beleben oft das heimische Geschäft. Kein Wunder also, dass wir zuletzt eine Rotationsbewegung erlebt haben. Anlegerinnen und Anleger richten ihr Augenmerk in der Erwartung weiter fallender Zinsen verstärkt auf günstig bewertete Nebenwerte. 

Wer in Small-Cap-Indizes investiert, holt sich jedoch immer auch Wackelkandidaten ins Portfolio. So verzeichneten im Juni 2025 mehr als 40 Prozent der Russell-2000-Unternehmen keinen Gewinn – darunter vor allem junge und wachstumsorientierte Firmen aus den Bereichen der Biotechnologie oder Green Tech.3 Die Streuung ist enorm, das Umfeld anspruchsvoll. Umso wichtiger ist ein fundierter Blick auf Qualität, Bilanzen und nachhaltige Geschäftsmodelle.
 

Fazit

Wer in Nebenwerte investiert, bewegt sich in einem komplexen Umfeld. Trumps Handelspolitik kommt eher den großen Playern am US-Aktienmarkt zugute. Zugleich spricht aus Bewertungsgesichtspunkten einiges dafür, dass Small Caps ein Comeback erleben könnten. Aktives Investieren kann hier seine Stärken ausspielen, indem es gezielt Einzeltitel auswählt, während die reine Index-Logik an ihre Grenzen stößt.

 

 

 

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