China und die USA lieferten sich zuletzt ein bemerkenswertes Zollduell. Trotz einer ersten Einigung dürfte China seinen wirtschaftlichen Umbau fortsetzen: weniger Abhängigkeit, mehr Binnenmarkt. Der Handelsstreit verstärkt, was längst begonnen hat.
Zwischen den USA und China wütet ein Kräftemessen, das weit über das Feilschen um Prozentpunkte hinausgeht. Der neue Konflikt begann mit Zusatzzöllen der USA von 34 Prozent auf chinesische Waren. Dann eskalierte die Situation: Im April haben sich beide Seiten mit immer neuen Zollschranken überzogen. Zeitweise lagen die Zölle auf chinesische Waren bei 145 Prozent, Peking reagierte mit 125 Prozent auf US-Importe¹. Die Folge: Der gegenseitige Handel ist in vielen Bereichen bereits zum Erliegen² gekommen, Lieferketten reißen, Unsicherheit prägt das Marktumfeld.
Der wirtschaftliche Schaden ist auf beiden Seiten spürbar. In den USA trifft es unmittelbar die Landwirtschaft³: Schweinefleisch-Exporteure, Heu- und Holzlieferanten berichten von stornierten Aufträgen, Preiseinbrüchen und ersten Entlassungen. Auch in China könnten die Strafzölle die Wirtschaft empfindlich treffen. Der Internationale Währungsfonds und Goldman Sachs haben ihre Wachstumsprognosen für 2025 bereits nach unten korrigiert⁴.
US-Finanzminister Scott Bessent hatte die Eskalation zuletzt als „faktisches Embargo“⁵ bezeichnet – ein Ausdruck der wachsenden Sorge über die wirtschaftlichen Folgen auf beiden Seiten. Inzwischen haben sich die USA und China in Genf auf erste Schritte zur Entschärfung des Konflikts verständigt: Ein Teil der Zölle wird befristet ausgesetzt, ein ständiger Dialogmechanismus soll künftige Spannungen abfedern⁶.
Peking zeigt sich offen für Gespräche und betont die Bedeutung stabiler Handelsbeziehungen. Zugleich hält die Volksrepublik aber an einem wirtschaftspolitischen Kurs der Eigenständigkeit fest.
Binnenwirtschaft im Fokus
China hatte schon lange vor der Eskalation mit den USA damit begonnen, sein Wirtschaftsmodell neu auszurichten. Dieser Umbau der Wirtschaft war lange geplant, der Handelskonflikt wirkt als Katalysator. Statt auf Billigexporte und staatliche Investitionen setzt Peking zunehmend auf Konsum, den Dienstleistungssektor und technologische Eigenständigkeit.
Mit dem im Jahr 2021 vorgestellten Fünfjahresplan hatte die Staatsführung bereits die Weichen dafür gestellt: Gemäß dem Leitbild einer „Dual Circulation“ soll der Binnenkonsum gezielt gestärkt und die Abhängigkeit vom Ausland verringert werden⁷. Bessere soziale Absicherung und höhere verfügbare Einkommen sollen dazu beitragen, die Rolle der privaten Nachfrage im Wirtschaftsmodell auszubauen. Auf dem diesjährigen Nationalen Volkskongress im März hat die Regierung diese Strategie noch einmal bekräftigt⁸.
Auch an den Kapitalmärkten könnte sich der Fokus innerhalb der Volksrepublik verschieben. Bisher konzentrierte sich das Interesse ausländischer Investorinnen und Investoren vor allem auf den Hang Seng Index mit seinem Schwerpunkt auf Tech- und Finanzwerten. Mittelfristig könnten aber auch Chinas „Domestic Indices“, die stärker die Binnenwirtschaft abbilden, an Bedeutung gewinnen. Wenn es Peking gelingt, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Sozialreformen, höhere Löhne und Maßnahmen auf dem Immobilienmarkt zu stärken, eröffnen sich hier neue Chancen abseits der großen Technologiewerte.
Fazit
Der Zollstreit zwischen den USA und China mag die Schlagzeilen beherrschen. Doch in Peking geht der Blick längst über den kurzfristigen Konflikt hinaus. Der Kurswechsel hin zu mehr Binnenkonsum und Eigenständigkeit ist kein Reflex auf die Zölle, sondern Teil einer länger vorbereiteten Strategie. Ironischerweise könnte die Eskalation mit den USA diesen Wandel nun beschleunigen. Ob der Strategiewechsel trägt, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur: Der Umbau findet statt. Unabhängig von kurzfristigen Deals.
Quellen:
¹ https://finance.yahoo.com/news/live/trump-tariffs-live-updates-trump-poised-to-soften-blow-of-tariffs-for-automakers-191201959.html
² https://www.economist.com/china/2025/04/29/trumps-tariffs-are-starting-to-hammer-chinese-exporters
³ https://www.cnbc.com/2025/04/28/trade-war-tariffs-full-blown-crisis-us-farm-exporters-say.html
⁴ https://www.reuters.com/markets/europe/china-is-confident-achieving-2025-growth-target-says-state-planner-2025-04-28/
⁵ https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/usa-bessent-zoelle-china-100.html
⁶ https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100717980/handelsstreit-usa-und-china-setzen-vorerst-teil-ihrer-zoelle-aus.html
⁷ https://www.nzz.ch/wirtschaft/fuenfjahresplan-technologie-klima-wie-china-2025-aussehen-soll-ld.1605888
⁸ https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/chinesischer-volkskongress-ki-konsum-konjunktur--chinas-schlachtplan-im-handelskrieg-13346818.html
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