Frankreich versinkt in Schulden. Die EU fordert nun mehr Haushaltsdisziplin. Denn die steigenden Risikoprämien auf französische Staatsanleihen zeigen, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU dabei ist, an Bonität zu verlieren.
Die vorgezogenen Neuwahlen haben große Veränderungen für die französische Politik mit sich gebracht: Das Linksbündnis (NFP) konnte die Parlamentswahl als stärkste Kraft für sich entscheiden. In vielen Ländern Europas atmete man auf. Schließlich hatten einige mit dem Sieg der rechtspopulistischen Rassemblement National gerechnet. François Villeroy de Galhau, Chef der französischen Notenbank, mahnt nun zur Vorsicht¹: Führende Köpfe der französischen Linken planen nach seiner Einschätzung umfangreiche Ausgaben, um den Sozialstaat zu stärken. Dafür sind sie bereit, hohe Schulden aufzunehmen. Bei der Bildung einer neuen Regierung müsste Präsident Emmanuel Macron wohl Zugeständnisse machen. Dabei hatte er eigentlich eine dringend notwendige Haushaltskonsolidierung geplant.
Denn Frankreich steht derzeit unter massivem fiskalischen Druck. Im Jahr 2023 lag das Haushaltsdefizit mit 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes² über der im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten EU-Grenze von drei Prozent. Auch bei der Staatsverschuldung besteht Handlungsbedarf. EU-Regularien erlauben eine Schuldenobergrenze von maximal 60 Prozent des BIP. Aktuell liegt die Verschuldung in Frankreich mit mehr als 110 Prozent² deutlich darüber. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die französische Schuldenlast bis Ende 2025 noch mal um drei Prozent steigen wird.
Deshalb hat Brüssel ein Disziplinarverfahren gegen Frankreich und sechs weitere EU-Länder eingeleitet³. Es gibt klare Fristen, um Haushaltslöcher zu stopfen und die Neuverschuldung zu senken. Damit soll die Stabilität der Eurozone gesichert werden. Die Regierung Macron plante, die im EU-Rahmen festgelegte Defizitgrenze bis 2027 wieder einzuhalten. Durch die politischen Unsicherheiten nach der Parlamentswahl könnte sich dieses Vorhaben nun verzögern.
Heftige Folgen bei Staatsanleihen
Am Staatsanleihenmarkt haben die jüngsten Entwicklungen in Frankreich sichtbare Spuren hinterlassen. Obwohl sich die fundamentale Lage kaum verändert hat, haben die Kreditrisikoaufschläge zwischen französischen und deutschen Titeln nun eine Differenz von 65 Basispunkten erreicht (Stand: 22.07.2024)⁴. Das heißt: Wenn Frankreich Kredite aufnehmen möchte, muss es deutlich höhere Zinsen zahlen als Deutschland, um Anlegerinnen und Anleger für das erhöhte Risiko zu entschädigen. Und dies könnte schon bald zur Norm werden.
Spread-Unterschiede in dieser Größenordnung gab es zuletzt auf dem Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise im Jahr 2012. Allerdings richten sich die besorgten Blicke dieses Mal auch auf die zweitgrößte europäische Volkswirtschaft und nicht nur auf Griechenland, Portugal und Italien, wo die Risikoprämien nach der Europawahl ebenfalls gestiegen sind. Sollte Frankreich im Bonitätsrating herabgestuft werden, dürfte dies Debatten um systemische Risiken und strukturelle Schwächen innerhalb der Eurozone anheizen.
Im vergangenen Jahr verhandelten Deutschland und Frankreich monatelang über eine Reform der EU-Schuldenregelung, bis im April 2024 ein Kompromiss geschlossen wurde⁵. Zuvor hatten die Franzosen die starren Grenzen der deutschen Sparpolitik scharf kritisiert: Diese könne notwendige Investitionen ausbremsen, hieß es von französischer Seite. Die deutschen Verfechter der Schuldenbremse und der schwarzen Null dürften sich nun in ihrem Standpunkt bestätigt fühlen.
Fazit
Frankreich ist nach Griechenland und Italien das am höchsten verschuldete Land der EU⁶. Um die Anlegerinnen und Anleger für die steigenden Kreditrisiken zu entschädigen, muss der einstige sichere Hafen immer höhere Prämien auf seine Staatsanleihen zahlen. Im schlimmsten Fall könnte dies zu Turbulenzen am Rentenmarkt und zu einer neuen Staatsschuldenkrise führen. In den nächsten Jahren wird Frankreich sparsam haushalten müssen, um seine Kreditwürdigkeit zu erhalten. Eine Koalitionsregierung könnte sich dabei als Bremse erweisen.
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