Der Krieg trifft auch Israels Hightech-Industrie ins Mark. Die schnell wachsende Branche, die sich vor allem rund um Tel Aviv angesiedelt hat, ist eng mit der Weltwirtschaft verknüpft – auch deutsche Unternehmen sind aktiv.

Ausgestorbene Straßen, leere Cafés, Raketenalarm: Die Schilderungen aus Tel Aviv während der vergangenen Tage haben deutlich gemacht, wie sehr der Krieg das Leben in ganz Israel bestimmt. Dabei gilt der Staat als eines der Hightech-Zentren der Welt – und das sogenannte Silicon Wadi rund um Tel Aviv als Mittelpunkt der IT- und Halbleiterindustrie, der Medizintechnik und vieler weiterer forschungsintensiver Zukunftsbranchen von der Agrar- bis zur Klimatechnik.

Israelische Innovationen sind weltweit gefragt, als Forschungs- und Entwicklungsstandort genießt der Staat zudem höchstes Ansehen. Rund 500 internationale Konzerne sind im Land aktiv, darunter US-Giganten wie Intel, Microsoft, IBM, Meta, Alphabet oder Apple und auch deutsche Unternehmen wie SAP und Deutsche Telekom, die Innovationslabore in der Region betreiben. Intel hatte noch im Juni angekündigt¹, 25 Milliarden US-Dollar in eine Chipfabrik in der Stadt Kiryat Gat zu investieren. Es wäre das bislang größte Einzelinvestment dieser Art in der Geschichte. 

Start-Up-Nation unter Schock

Darüber hinaus besitzt Israel, das sich selbst als „Start-Up-Nation²“ betitelt, mit Tel Aviv auch einen der wichtigsten Cluster für innovative Unternehmensgründungen³. Die Hightech-Industrie gilt seit Jahrzehnten als am schnellsten wachsender Wirtschaftssektor, 14 Prozent der Beschäftigten im Lande arbeiten dort, sie erwirtschaften etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts.⁴

Nach dem Kriegsbeginn steht dieses Erfolgsmodell nun vor einer unsicheren Zukunft. Viele Staaten evakuieren derzeit ihre Staatsbürger. Der Chiphersteller Nvidia⁵ sagte gerade einen der weltgrößten KI-Gipfel in Tel Aviv ab. 

Auch die Einberufung von 300.000 Reservisten zum Militär⁶ dürfte die Industrie treffen. Beispielsweise berichtete das 2012 in Tel Aviv gegründete Software-Unternehmen Monday.com, das bisher sechs Prozent⁷ der Beschäftigten in Israel eingezogen wurden. Monday.com zählt seit dem Börsengang an der US-Nasdaq vor zwei Jahren zu den mehr als 100 Einhörnern⁸ der israelischen Tech-Industrie, die inzwischen mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Dazu gehören beispielsweise auch die Cyber-Sicherheitsunternehmen Riskified und SentinelOne oder auch Viz.ai, ein Unternehmen, das künstliche Intelligenz einsetzt, um auf medizinischen Bildern Krankheiten zu erkennen.

Nun wächst die Nervosität in der Startup-Szene. So berichtete die Wirtschaftswoche⁹ kürzlich, dass junge IT-Talente das Land angesichts des Kriegs verlassen könnten. Und Intels Pläne für die Chipfabrik kaum 40 Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt stehen auch unter besonderer Beobachtung. 

Fazit

Israel ist ein kleines Land, mit einer Landesfläche etwa in der Größe Hessens und rund neun Millionen Einwohnern. Der Krieg wird daher womöglich keine so großen Spuren in den Handelsbilanzen der internationalen Konzerne hinterlassen wie Russlands Krieg gegen die Ukraine. Wirtschaftlich weitaus größere Bedeutung hat der Staat allerdings für die Forschung und Entwicklung in der weltweiten Hightech-Industrie. Die kommenden Wochen und Monate werden darüber entscheiden, wie es mit dem Technologieland Israel weitergeht – und damit auch mit einem der wichtigsten Innovationslabore der Welt.  

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