Während der Pandemie kündigten viele Menschen in den USA ihre Jobs, Unternehmen suchten händeringend Personal. Nun kühlt der Arbeitsmarkt langsam ab. Die Unsicherheit vieler Arbeitnehmender könnte helfen, die Inflation zu bändigen.

In den vergangenen zwei Jahren ging es am Arbeitsmarkt der USA turbulent zu. Mehr als zehn Millionen Menschen1 haben ihren Job gekündigt. Erleichtert wurde ihnen diese Entscheidung durch großzügige Corona-Kompensationspakete der Regierung, von denen auch Arbeitslose profitierten. In einigen Branchen herrschten daraufhin massive Personalengpässe. Die Kündigungswelle im Zuge der Pandemie, auch als „Great Resignation“ bekannt, stärkte zudem die Verhandlungsposition vieler Beschäftigter, die unter Androhung eines Jobwechsels für höhere Löhne und fairere Arbeitsbedingungen kämpften. Nun deuten neue Daten des US-amerikanischen Arbeitsministeriums1 auf ein Ende dieser Entwicklung hin: Die Zahl der Kündigungen näherte sich in den vergangenen Monaten erstmals wieder dem vorpandemischen Niveau.

Das Ende der „Great Resignation“ hat verschiedene Gründe. Zum einen konnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuletzt einige Forderungen durchsetzen: Die durchschnittlichen Stundenlöhne in den USA stiegen im Juli 2023, wie auch schon im Juni, um 4,4 Prozent2 gegenüber dem Vorjahr. Auch die Sozialleistungen haben sich im Pandemieverlauf verbessert. Auf der anderen Seite treibt die Menschen aber auch die Sorge um, nicht mehr so leicht wie zuvor einen neuen Job zu finden. 

Das Vertrauen in die langfristige Stabilität des US-Arbeitsmarkts hat nach öffentlichkeitswirksamen Massenentlassungen bei Tech-Konzernen wie Microsoft, Alphabet und Meta, stark gelitten. Diese hatten sich von einem erheblichen Teil ihrer Belegschaft getrennt, und inzwischen ist auch in anderen Branchen die Stimmung gekippt. Der Autobauer Ford etwa kündigte im Juni an, sich von 30003 seiner US-Angestellten trennen zu wollen. Und im Juli strich auch die große US-amerikanischen Apothekenkette Walgreens jede sechste Stelle.

Zinspolitik nach Plan

Die Sorgen mancher Angestellter vor dem Jobverlust sind berechtigt. Der heiß gelaufene Arbeitsmarkt in den USA kühlt sich ab – und bleibt hinter den Erwartungen2 zurück. Statt den prognostizierten 200.000 neuen Jobs entstanden im Juli nur noch 187.000 Arbeitsplätze. Und auch der Vormonat enttäuschte schon. Hier wurde das Stellenangebot nachträglich von 209.000 auf 185.000 Arbeitsplätze revidiert.

Der Blick auf die weitere Entwicklung der Arbeitsmarktdaten – von Arbeitslosigkeit über Stellenwachstum bis hin zur Lohnentwicklung – dürfte vor allem die US-Notenbank Fed interessieren. Diese hatte zuletzt im Kampf gegen die hohe Inflation im Land die Zinsen Schritt für Schritt weiter angehoben; unter anderem auch, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Das Ende der Kündigungswelle ist in diesem Zuge eine gute Nachricht – denn das sollte übertriebene Lohnforderungen mehr und mehr zurückführen. 

Fazit

Durch eine restriktive Geldpolitik gelang es der Fed, die galoppierende Inflation einzudämmen. Eine Lohn-Preis-Spirale hätte den Kurs gefährdet und die Inflation erneut angeheizt. Insofern ist die Abkühlung am US-Arbeitsmarkt eine gute Nachricht für die Fed. Gleichzeitig bleibt die Gefahr, dass es sich um den Vorboten einer Rezession handelt. Doch dafür ist es noch zu früh.

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