Deutschland ist der weltgrößte Kapitalgeber, noch vor Japan. Was nach einer Stärke klingt, birgt auch geopolitische Risiken. Und es deckt strukturelle Schwächen des Standorts Deutschland auf.
Deutschland ist erneut Spitzenreiter unter den weltweiten Kapitalgebern. Erstmals seit 34 Jahren hat die Bundesrepublik Japan im Ranking des Nettoauslandsvermögens überholt.¹ Aktuell beläuft sich der Wert auf rund 3,5 Billionen Euro. Möglich wurde das durch jahrzehntelange Leistungsbilanzüberschüsse, stabile Exportmärkte und eine traditionell hohe Sparquote im Inland. Das Nettoauslandsvermögen ergibt sich aus dem Saldo der im Ausland investierten Vermögenswerte und der in Deutschland von Ausländern gehaltenen Vermögenswerte. Über viele Jahre wurde mehr exportiert als importiert. Die daraus resultierenden Überschüsse flossen jedoch nicht in den heimischen Wirtschaftskreislauf zurück, sondern wurden vor allem im Ausland angelegt.
Das Auslandskapital der Deutschen ist breit gestreut und reicht von Anleihen über Aktien bis hin zu Beteiligungen an Produktionsstandorten. Besonders hoch sind die Engagements in den USA, wo unter anderem Staatsanleihen, Unternehmensbeteiligungen und Werke von Siemens bis Mercedes in deutscher Hand liegen.² Auch in China bestehen umfangreiche Engagements. Investiert wird eben vor allem dort, wo Wachstum und attraktive Renditen winken.
Japanisches Kapital fließt übrigens vor allem als Fremdkapital in Form von Staatsanleihen sowie Direktinvestitionen, die langfristige Produktionskapazitäten aufbauen.³ In Deutschland ist die Lage anders: Hier wird vor allem an der Wall Street Eigenkapital bereitgestellt. Dieses Engagement über liquide Portfolioanlagen lässt sich bei Turbulenzen deutlich rascher abziehen als eine Unternehmensbeteiligung oder eine Anleihe.
Zweischneidiges Schwert
Zugleich schaffen solche Investments kaum Arbeitsplätze im Zielland. Das sieht vor allem US-Präsident Donald Trump als heikel an, da ihm die vermeintlich unausgewogenen Handelsbeziehungen ohnehin ein Dorn im Auge sind. Internationale Beobachterinnen und Beobachter warnen nun, dass Deutschland im Zuge geopolitischer Spannungen mit seinem hohen Kapitalsaldo zunehmend ins Visier der US-Regierung geraten könnte.³
Wie das aussehen könnte, zeigte ein inzwischen gestrichener Passus im Anfang Juli verabschiedeten Haushaltsgesetz „Big Beautiful Bill“⁴: In Abschnitt 899 waren zusätzliche Steuern für ausländische Investorinnen und Investoren vorgesehen, sofern deren Heimatländer als steuerpolitisch unfair eingestuft werden. Dieser vage formulierte Begriff hätte gezielte Maßnahmen gegen einzelne Länder erlaubt und de facto Kapitalmarktkontrollen bedeutet. Zwar wurde der Passus am Ende entfernt, doch er zeigt, mit welcher Schärfe in Washington über Kapitalflüsse diskutiert wird.
Auch in Deutschland selbst wird die Spitzenposition zunehmend kritisch gesehen. Wenn Unternehmen lieber im Ausland als am heimischen Standort investieren, sei das ein Warnsignal, sagt beispielsweise Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts. Ein höheres inländisches Investitionsniveau sei für Beschäftigung, Löhne und Steuereinnahmen wichtiger.² Gründe für die Zurückhaltung bei der Geldanlage im Inland sind unter anderem hohe Energiekosten, langwierige Genehmigungsverfahren und eine insgesamt schwache Investitionsdynamik. Die Bundesregierung versucht nun, mit erhöhten Staatsausgaben für Infrastruktur, Digitalisierung und Verteidigung gegenzusteuern. Die fiskalische Wende könnte die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern und mehr Kapital im Inland halten.
Fazit
Deutschlands riesiges Auslandsvermögen ist ein Ausdruck wirtschaftlicher Stärke. Es verweist aber auch auf ein strukturelles Problem, denn Kapital fließt stets dorthin, wo die Bedingungen am günstigsten sind. Und das ist derzeit nicht das Inland. Entscheidend wird sein, ob Deutschland wieder zu einem Ort werden kann, an dem sich Investitionen lohnen. Das gilt für ausländisches Kapital ebenso wie für das eigene.
Quellen:
¹ https://www.manager-magazin.de/finanzen/weltwirtschaft-deutschland-ueberholt-japan-als-groesster-glaeubiger-weltweit-a-f2c89f84-2754-4496-a14d-bbff0719bcef
² https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/wirtschaft/id_100743880/deutschland-ist-groesster-glaeubiger-was-das-bedeutet.html
³ https://www.reuters.com/markets/europe/germanys-return-worlds-top-creditor-may-be-fleeting-mike-dolan-2025-05-29/
⁴ https://tax.thomsonreuters.com/news/revenge-tax-dropped-from-budget-bill-as-senate-byrd-bath-continues/