Chinas Immobilienmarkt gilt als Konjunkturmotor, steckt aber in einer tiefen Krise. Wie sich das Wachstum der Volksrepublik im Jahr 2024 entwickelt, hängt deshalb stark davon ab, ob die Regierung den Schlüsselsektor stabilisieren kann.

Lange Zeit warnten Ökonominnen und Ökonomen vor einer Blase am chinesischen Immobilienmarkt. Im Jahr 2021 platzte sie dann: Evergrande, Chinas zweitgrößtes Immobilienentwicklungsunternehmen, meldete Insolvenz an1. Nun gilt das Unternehmen als Symbol für die Immobilienkrise in der Volksrepublik, die sich immer mehr ausweitet. Nach Evergrande erwischte es den hoch verschuldeten Konkurrenten Sunac, der in den USA ebenfalls Gläubigerschutz beantragen musste. Und der einstige Branchenprimus Country Garden konnte im Oktober 2023 seine Anleihezinsen nicht mehr bedienen.

Das bringt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in eine schwierige Lage. Zwar mehren sich die Anzeichen2, dass die wirtschaftliche Erholung 2024 Fahrt aufnimmt, doch der schwächelnde Immobiliensektor machte in der Spitze rund ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung3 aus. Zwei Drittel des Vermögens chinesischer Haushalte sind in Immobilien gebunden. Häuser und Wohnungen dienen nicht nur als Wertanlage, sondern auch als Altersvorsorge. Bisher kauften die Chinesen eifrig Immobilien, um sie nach ein paar Jahren gewinnbringend zu veräußern. Solange die Preise stiegen, funktionierte dieses Modell, das wir auch aus anderen Märkten wie den USA kennen. 

Staatlich geförderter Regimewechsel

Das beispiellose Wachstum des chinesischen Immobiliensektors in der Vergangenheit wurde durch enorme Mengen an Fremdkapital noch beschleunigt. Chinas Konjunktur hängt zu großen Teilen vom Aufschwung dieser Branche ab – und sogar die Weltwirtschaft baut zu einem gewissen Teil auf Chinas Immobilienboom. 

Damit dürfte erst einmal Schluss sein. Die Regierung selbst leitete zuletzt einen Regimewechsel ein, indem sie strengere Kreditvergabestandards und andere regulatorische Maßnahmen beschloss. Ziel ist es, den aufgeblähten Sektor gesundzuschrumpfen und langfristig ein stabileres Investitionsumfeld zu schaffen. 

2024 wird sich die Regierung in Peking entscheiden müssen, ob und in welchem Umfang sie taumelnden Immobilienriesen fiskal- und geldpolitisch unter die Arme greift. Im Fidelity Jahresausblick für 2024 skizzieren unsere Experten und Expertinnen drei mögliche Szenarien und deren Auswirkungen auf chinesische Vermögenswerte. Eine anhaltende Stabilisierung durch staatliche Unterstützung halten wir mit 65 Prozent Wahrscheinlichkeit für das Basisszenario. Es würde Chinas Wirtschaft zu einem Wachstum zwischen vier und fünf Prozent verhelfen. Sollte Peking sich stärker zurückhalten, könnte die Immobilienkrise auf das gesamte Finanzsystem übergreifen. Eher unwahrscheinlich ist eine Wiederbelebung des Immobilienbooms aufgrund staatlicher Überinvestitionen. 

Die Zeit drängt. Denn im Schatten der Immobilienkrise hat sich unter der Bevölkerung längst ein Vertrauensverlust breitgemacht, der sich derzeit in einem allgemeinen Konsumstreik äußert. Die wirtschaftliche Erholung nach dem Ende der Zero-Covid-Politik fiel auch darum so ernüchternd aus, weil die Chinesen ihr Geld inzwischen lieber für schlechtere Zeiten zurücklegen, als sich Immobilien zu leisten, deren Preise konstant fallen.

Fazit

Chinas bröckelnder Immobiliensektor bremst aktuell das Wirtschaftswachstum. Das gilt nicht nur für die Volksrepublik selbst, denn die Auswirkungen sind auch global spürbar. Langfristig könnte der Regimewechsel hin zu einem gemäßigteren, aber dafür solideren Wachstumsmodell den Markt für Anleger und Anlegerinnen sogar attraktiver machen. Doch zunächst liegt es an der chinesischen Regierung, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Krise im Schlüsselsektor nicht auch auf andere Sektoren übergreift und systemische Risiken entstehen.
 

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