An den Terminmärkten gilt eine Zinssenkung im September als wahrscheinlich – auch, weil politischer Druck aus dem Weißen Haus zunimmt. Doch die fundamentale Datenlage liefert keine stichhaltigen Argumente für eine geldpolitische Lockerung.
Die Rede von Fed-Chef Jerome Powell auf dem Notenbank-Symposium in Jackson Hole im August wurde von vielen mit Spannung erwartet. Das lag nicht nur daran, dass es seine letzte Rede in Wyoming vor dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2026 war, sondern auch daran, dass sie als Bewährungsprobe für die Unabhängigkeit der US-Geldpolitik galt – inmitten wachsender politischer Einflussversuche aus dem Weißen Haus. Powell zeigte sich abwägend, stellte jedoch eine Zinssenkung im September in Aussicht und wies auf wachsende Risiken am US-Arbeitsmarkt hin.1
Der politische Druck auf Powell steigt. Donald Trump und Finanzminister Scott Bessent fordern seit Monaten Zinssenkungen. Ab September könnte Stephen Miran, Trumps neuer Wirtschaftsberater, erstmals im Fed-Führungsgremium sitzen. Auch er gilt als klarer Befürworter einer Lockerung.2 Gleichzeitig finden im Hintergrund Auswahlgespräche für Powells Nachfolge statt. Die Bereitschaft zu Zinssenkungen dürfte ein zentrales Auswahlkriterium sein.
Die politischen Signale aus Washington – und inzwischen auch aus Jackson Hole – haben die Zinserwartungen an den Terminmärkten verstärkt. Laut dem CME-FedWatch-Tool liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im September derzeit bei rund 84 Prozent (Stand 26.08.2025).3 Neben dem politischen Druck scheinen auch erste Anzeichen konjunktureller Abkühlung eine Rolle zu spielen. Bei genauer Betrachtung geben die Wirtschaftsdaten jedoch bislang im Grunde wenig Anlass für eine geldpolitische Wende.
Was die Daten hergeben und was nicht
Die US-Notenbank verfolgt ein sogenanntes Doppelmandat, das Preisstabilität und maximale Beschäftigung umfasst. Jerome Powell gilt als jemand, der beide Ziele mit ruhiger Hand gegeneinander abwägt. Er bevorzugt datenorientierte Entscheidungen gegenüber schnellen Kurswechseln. Die Interpretation der aktuellen Wirtschaftslage erfordert dabei besondere Sorgfalt.
Beginnen wir mit der Inflation: Diese lag im Juli bei 2,7 Prozent und damit unter den Erwartungen. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel stieg allerdings auf 3,1 Prozent.4 Das wiederum liegt deutlich über dem Ziel der Fed und spricht gegen eine baldige Lockerung. Schließlich zählt Geldwertstabilität zu den Zielen der Notenbank. Besonders deutlich fiel zudem der Anstieg der Produzentenpreise aus: Plus 0,9 Prozent gegenüber dem Vormonat – das war mehr als viermal so viel wie erwartet.5 Auf Jahressicht ergibt sich ein Plus von 3,3 Prozent. Die Zölle der Trump-Regierung zeigen erste Wirkung. Viele Unternehmen haben die höheren Kosten bislang selbst getragen, doch das dürfte nicht dauerhaft möglich sein. Wenn die Preise verstärkt an Konsumenten weitergegeben werden, ist eine zweite Inflationswelle nicht ausgeschlossen.
Zum Fed-Doppelmandat gehört auch eine hohe Beschäftigungsrate. Daher werfen wir auch hierzu einen Blick auf die Datenlage: Im Juli wurden 73.000 neue Stellen geschaffen.6 Dies könnte ein möglicher Hinweis auf eine Abkühlung sein. Gleichzeitig erreichte die Arbeitslosenquote einen historischen Tiefstand.1 Ökonominnen und Ökonomen verweisen auf strukturelle Faktoren wie die verschärfte Einwanderungspolitik, die das Arbeitskräfteangebot verknappen. In diesem Fall wäre die schwächere Dynamik weniger ein Anzeichen für einen drastischen Nachfrageeinbruch, sondern vor allem auf angebotsseitige Effekte zurückzuführen – und damit kein eindeutiges Argument für eine Zinssenkung.
Innerhalb der Fed gehen die Meinungen auseinander. Einige Mitglieder zeigen sich offen für eine Zinssenkung, während andere zur Vorsicht mahnen. Die Unsicherheit ist groß, da niemand sagen kann, ob die aktuellen Preissignale vorübergehend sind oder den Beginn eines neuen Zyklus markieren. Auch Powell kann das nicht mit Gewissheit sagen, ist sich dieser Ambivalenz aber bewusst. Hält er an seinem bisherigen Kurs fest, bedeutet das: beobachten, abwägen und datenbasiert reagieren.
Fazit
Die Fed steht unter Druck: An den Märkten sind Zinssenkungen bereits eingepreist, und auch die Politik fordert sie. Doch auf Grundlage der aktuellen Datenlage wäre ein solcher Schritt schwer zu rechtfertigen. Die Preisstabilität ist noch nicht erreicht, der Arbeitsmarkt scheint weiterhin intakt zu sein, und die Effekte der Zölle könnten mit Verzögerung eintreten. Eine geldpolitische Lockerung der US-Notenbank wäre unter diesen Vorzeichen zumindest erklärungsbedürftig – nicht zuletzt im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit.
Quellen:
1 https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/jackson-hole-powell-stellt-zinssenkung-in-aussicht-us-anleger-erleichtert/100148909.html
2 https://finance.yahoo.com/news/3-things-you-need-to-know-about-trumps-nominee-for-the-fed-162221247.html
3 https://www.cmegroup.com/markets/interest-rates/cme-fedwatch-tool.html
4 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/usa-inflation-116.html
5 https://finanzmarktwelt.de/us-erzeugerpreise-massiv-hoeher-als-erwartet-360456/
6 https://edition.cnn.com/2025/08/01/economy/us-jobs-report-july
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