Das Bild von der stabilen US-Konjunktur bekommt Risse. Die Bevölkerung ist zunehmend verunsichert, beim Konsum schwächelt die breite Masse. So kann die Stimmung schnell ins Wanken geraten.
Auf den ersten Blick zeigen sich die USA im Herbst 2025 in guter Verfassung. So legte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um fast vier Prozent zu1 und für das dritte Quartal werden ähnliche Zahlen prognostiziert.2 Auch der Konsum bleibt solide, die Arbeitslosigkeit verharrt auf niedrigem Niveau, wenngleich sie zuletzt etwas angestiegen ist. In der Politik und an den Märkten dominiert weiterhin die Hoffnung auf das sogenannte Goldlöckchen-Szenario: Viele hoffen auf stabiles Wachstum, moderate Inflation und einen robusten Arbeitsmarkt.
Auch die Aktienmärkte spiegeln diesen Optimismus wider. Der S&P 500 und der Dow Jones erreichen regelmäßig neue Rekordwerte.3 Jüngste Inflationszahlen, die zwar deutlich über dem Ziel der Notenbanken, aber unter den Markterwartungen lagen, ebneten den Weg für eine Zinssenkung im Oktober. Die Ankündigung von Donald Trump, dass ein Handelsabkommen mit China in Aussicht4 stehe, fügt sich in den positiven Grundtenor ein. So rückt sogar der sogenannte US-Exzeptionalismus wieder ins Zentrum der Debatte. Wer sich auf die wichtigen Indikatoren verlässt, erkennt also wenig Grund zur Sorge.
Unter der Oberfläche mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass die scheinbare Stärke der USA brüchiger ist, als es die nach wie vor starken Konjunkturdaten vermuten lassen.
Bruchlinien unter der Oberfläche
So ist das Fundament des wirtschaftlichen Aufschwungs inzwischen sehr fragil geworden. Fast die Hälfte aller Konsumausgaben in den USA entfällt mittlerweile auf die obersten zehn Prozent der Haushalte. Ein derartiges Ungleichgewicht war zuletzt 1989 zu beobachten. Der private Konsum, traditionell das Rückgrat der US-Konjunktur, verteilt sich also immer ungleicher und auf immer weniger Schultern. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner können mit den Preisen nicht mehr Schritt halten. Die offiziell weiterhin moderate Inflation bildet in diesem Sinne nicht ab, wie stark die Lebenshaltungskosten für die Mitte der Gesellschaft tatsächlich steigen.
Das Ungleichgewicht macht sich auch im Stimmungsbild bemerkbar: Während die Börsen Höchststände erreichen, nimmt die Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung zu. Ein wichtiger Frühindikator für das Verbrauchervertrauen in den USA, den die University of Michigan regelmäßig berechnet, ist im Oktober auf den niedrigsten Stand seit fünf Monaten gefallen.5 Fast jeder zweite Haushalt rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr – eine Entwicklung, die in der Vergangenheit häufig eine Abschwächung am Arbeitsmarkt vorwegnahm.5 Mark Zandi, Ökonom bei Moody’s Analytics, warnt bereits davor, dass das Schicksal der US-Wirtschaft zunehmend am Konsumverhalten weniger wohlhabender Menschen hängt. „Wenn auch sie vorsichtiger werden, droht eine Rezession“, so Zandi.6
In den Befund mischt sich zudem die steigende politische Unsicherheit. Der Government Shutdown hat die Veröffentlichung wichtiger Konjunkturdaten verlangsamt. Die Inflationszahlen für September wurden erst mit Verzögerung veröffentlicht und für Oktober könnten sie ganz ausfallen.7 Laut eigenen Angaben kann die US-Regierung zentrale Umfragen nicht wie gewohnt durchführen, was die verlässliche Einschätzung der Wirtschaftslage erschwert. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, denn neue Zölle, deren Effekte bisher noch kaum durchschlugen, könnten in den kommenden Monaten den Konsum spürbar belasten. Das Zusammenspiel aus Datenlücken und neuen negativen Effekten könnte den Kipppunkt verschleiern.
Fazit
Auf den ersten Blick wirkt das Bild der US-Wirtschaft im Herbst 2025 vollends intakt. Doch unter der Oberfläche schlummern strukturelle Schwächen. Anlegerinnen und Anleger sollten daher nicht nur auf Rekorde und Wachstumszahlen achten, sondern auch weniger sichtbare Risiken in den Blick nehmen. Wer Bruchlinien früh erkennt, ist in diesem anspruchsvollen Marktumfeld besser positioniert.
Quellen:
1 https://edition.cnn.com/2025/09/25/economy/us-gdp-q2-final
2 https://www.atlantafed.org/cqer/research/gdpnow
3 https://tradingeconomics.com/united-states/unemployment-rate
4 https://www.nbcnews.com/world/asia/trump-xi-meeting-fentanyl-tariffs-rare-earths-china-rcna240710
5 https://www.cbsnews.com/news/consumer-confidence-michigan-survey-october-2025/
6 https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-09-16/top-10-of-earners-drive-a-growing-share-of-us-consumer-spending
7 https://www.wiwo.de/politik/ausland/konjunktur-usa-us-inflation-steigt-auf-30-prozent/100167787.html
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