Eine Bemerkung des Fed-Chefs Jerome Powell ließ Kapitalmarktexperten am 26. Januar aufhorchen. Auf einer Pressekonferenz gestand er ein, dass die Inflationslage nun doch wohl „leicht schlimmer“ ausfalle als erwartet.

Kleine Worte mit großer Wirkung: Der Dow Jones drehte direkt ins Minus. Nachdem die Kurse sich zuletzt etwas erholt hatten, geriet der Index also abermals ins Straucheln.

In der Tat ist der neue Ton der US-Notenbank bemerkenswert. Die Währungshüter verabschiedeten sich endgültig vom zuvor unter Industriestaaten verbreiteten Narrativ, die Inflation sei vor allem ein vorübergehendes Phänomen. Stattdessen nun das Eingeständnis Powells: Die Fed hat den Inflationszyklus unterschätzt und muss nun entschieden gegensteuern.

Damit treten völlig neue Vokabeln in das Repertoire der Marktbeobachter. Viele sehen beispielsweise die Fed „behind the curve“. Noch vor wenigen Wochen war die Debatte um die Zinswende noch von einem ganz anderen Stimmungsbild geprägt.

Da die Währungshüter weltweit den Inflationsschub relativierten, mutmaßten manche Kapitalmarktexperten, die lockere Geldpolitik könnte mehr oder weniger so weiterlaufen. Nun erwartet uns eine Kehrtwende: Im Fokus steht fortan die Frage, wie schnell und rigoros die Fed ihre quantitative Straffung in den kommenden Monaten vorantreibt. Und ob Europa mitzieht.

Straffung in vier Schritten

Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die Entwicklung nun Fahrt aufnimmt. Mit einer Inflationsrate von 4,9 Prozent in Deutschland für Januar 20221 ist die Zielmarke von 2 Prozent jedenfalls deutlich überschritten. Um die Inflationsdynamik abzubremsen, kündigte die US-Notenbank eine Straffung in vier Schritten an. Die erste Leitzinserhöhung ist für März angesetzt, sie gilt bereits als eingepreist. Planmäßig soll der Zinssatz dann von 0 auf 0,25 Prozent steigen.

Im nächsten Schritt verkürzt die Fed ihre Bilanzsumme. Nachdem sie jahrelang monatlich Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere im Wert von 120 Milliarden Dollar eingekauft und so das Angebot künstlich verknappt hatte, gehen die Anleihekäufe bald nicht mehr weiter, sondern einige der Papiere sollen im Gegenteil sogar wieder von der Bilanz verschwinden.

Aber lässt sich die Inflationsdynamik durch diese Maßnahmen wirklich effektiv aufhalten? Oder braucht es mehr Straffung, also noch deutlich höhere Zinsen? Auch diese Frage ist recht neu auf dem Meinungsmarkt — und noch nicht beantwortet. Klar ist nur: Volle Brieftaschen und überschäumende Nachfrage auf Verbraucherseite lassen sich durch straffe Geldpolitik deutlich leichter ausbremsen als das, was die aktuelle Teuerung hauptsächlich verursacht.

Die Preisschaube dreht sich derzeit nämlich vor allem, weil der Welthandel gestört ist und das Angebot vieler Rohstoffe und Waren knapp. Materialengpässe und unterbrochene Lieferketten lassen also die Preise steigen. In dieser Situation wird es für Notenbanken deutlich schwieriger.

Mein Fazit

Bevor die Zinswende begonnen hatte, schauten Marktbeobachter vor allem darauf, wie lange das Quantitative Easing, also die Liquiditätsschwemme durch die Notenbanken wohl noch anhalten wird. Nun sprechen alle nur noch vom Quantitative Tightening und spekulieren darüber, wie schnell und hart die Fed die Zügel anzieht, um die aktuell stärkere Inflation zu bremsen. Dabei steht in Frage, ob ein hartes Durchgreifen überhaupt die gewünschte Wirkung erzielt — denn ein zu knappes Angebot zu bekämpfen, ist erheblich schwieriger, als eine überschießende Nachfrage.

Für Anleger heißt das: Stellen Sie sich weiterhin auf einen „Sägezahnmarkt“ mit vielen Aufs und Abs in den kommenden Monaten ein. Die Zeiten eines stabilen Aufwärtstrends scheinen vorerst vorüber zu sein.

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