Nach dem massiven Terrorangriff der Hamas aus dem Gaza-Streifen wehrt Israel sich mit großer militärischer Härte. Die Lage ist unübersichtlich, der weitere Kriegsverlauf kaum vorherzusagen – und auch die Situation an den Kapitalmärkten bleibt dementsprechend unklar. 

Wer das Geschehen an den Märkten beobachtet, blickt bei Konflikten im Nahen Osten in der Regel zunächst auf den Ölpreis. Denn der Rohstoff gilt als wichtigster Übertragungskanal zwischen der politischen Lage und der Finanzwelt. Grund: Die Länder der Region verfügen über große fossile Energievorkommen. Käme es zu einer Ausweitung der Kampfzone, könnte das ganz unmittelbar den Tankerverkehr durch die Straße von Hormus gefährden. Durch die Meerenge verkehren täglich rund 20 Prozent der weltweiten Öl-Lieferungen zwischen Persischem Golf und Arabischem Meer¹. 

Israel selbst ist inzwischen ebenfalls in die Rohstoffförderung eingetreten. Hier geht es nicht um Öl- sondern um Gasvorkommen im Mittelmeer. Nun hat der Staat den US-Konzern Chevron angewiesen, eine Gasplattform rund 20 Kilometer vor der Küste des Gazastreifens zu schließen². Der Iran wiederum, der zumindest indirekt in die Vorbereitung der Terrorattacken verwickelt sein soll³, exportiert täglich etwa 1 bis 1,5 Millionen Barrel Öl⁴, was im weltweiten Vergleich nicht viel ist. Aber der Staat hatte zuletzt eine wichtige Rolle dabei gespielt, Versorgungslücken nach Produktionskürzungen durch Saudi-Arabien und Russland zu schließen. 

Der Ölpreis dürfte nicht fallen

Die Angriffe in und um Israel und den Gazastreifen dürften somit jedenfalls dafür sorgen, dass der Ölpreis nicht unter sein derzeitiges Niveau fällt. Der Gaspreis war zuletzt sogar deutlich gestiegen. „Die Marktteilnehmer haben bisher sehr rational gehandelt“, sagt Paul Gooden, Analyst für den Ölsektor und Fondsmanager bei Fidelity International: „Der Ölpreis ist um 3 bis 4 Prozent gestiegen, bevor er sich beruhigt hat. Das ist die Prämie für die potenziellen Risiken des Konflikts. Es spiegelt aber keine direkten Auswirkungen auf das Angebot wider. Einen weiteren starken Anstieg halte ich nur bei einer direkten Bedrohung der Lieferungen durch die Meerenge für wahrscheinlich.“

Anstiege des Ölpreises bergen stets das Risiko eines Inflationsschocks, vor allem in den Importländern. Die direkten Auswirkungen dürften diesmal zwar nicht so groß sein wie nach den Lieferstopps aus Russland mit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine, denn die Stellung des Iran auf dem Ölmarkt ist bei weitem nicht so groß wie Russlands. Vieles wird aber von der Haltung anderer Lieferanten im Nahen Osten abhängen, allen voran von Saudi-Arabien. 

Im Krieg droht eine Eskalation

Entscheidend für den weiteren Verkauf wird nun sein, ob sich der Krieg in den kommenden Tagen und Wochen ausweitet: „Ich fürchte, dass im Vergleich zu früheren regionalen Krisenherden ein größeres Risiko besteht“, sagt Salman Ahmed, Global Head of Macro and SAA. „Frühere Eskalationen des Konflikts, wie zuletzt im Jahr 2006, wurden in der Regel relativ schnell eingedämmt. Nach einigen Tagen der Feindseligkeiten kam es zu Waffenstillständen. Aber die Welt ist heute eine ganz andere als 2006.“ 

Diesmal müssen wir uns auf eine längere Auseinandersetzung einstellen, sagt Ahmed: „Wir haben die erste Phase gesehen. Und jetzt beginnt die zweite Phase, in der Israel direkt in Gaza reagiert. In der dritten Phase geht es darum, wie die breitere Region reagieren wird.“ Hier gab es zuletzt durchaus Bemühungen um bessere Beziehungen sowohl zwischen Saudi-Arabien und dem Iran als auch zwischen Saudi-Arabien und Israel. Ob sich diese Politik fortsetzen lässt, ist offen.  

Ölanalyst Gooden weist darauf hin, dass die USA ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl interessiert sein dürften, den Ölpreis niedrig zu halten. Dazu hatte man zuletzt auch Sanktionen gegen den Iran gelockert. „Sollten die USA die Sanktionen gegen den Iran nun wieder verschärfen, könnte der Ölpreis anziehen. Es wäre aber ein allmählicher Anstieg“, sagte er. 

Wie beeinflusst ein Ölpreisanstieg die Kapitalmärkte? 

Käme es zu einem neuen Inflationsschub, könnte das den Zinserhöhungszyklus der großen Zentralbanken verlängern, was sich wiederum auf die Erwartungen für die Wirtschaft auswirken würde. Höhere Ölpreise wirken zudem wie eine Steuer auf den Konsum. Die Ölexporteure und Energieunternehmen weltweit und auch in der Krisenregion würden indes vom Preisanstieg profitieren. Weil sich zugleich auch dort der Inflationsdruck verschärfen würde, hätten die Energieimporteure sowie Konsumwerte das Nachsehen.

Ganz allgemein wirkt die sich entwickelnde Situation im Nahen Osten eindeutig negativ auf risikoreiche Anlagen aus. Der neue Krieg trifft die Weltwirtschaft dabei in einer ohnehin schon schwierigen Lage. So haben wir zuvor bereits für die kommenden 6 bis 12 Monate eine Rezession in den USA erwartet und uns in der Vermögensallokation entsprechend vorsichtig positioniert.  

Staatsanleihen bescherte der Kriegsschock nach wochenlangen Verkäufen kurzfristig steigende Kurse. Das war im vergangenen Jahr bei Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine ähnlich: In unmittelbarer Reaktion suchten Investoren Staatsanleihen als sicheren Hafen auf, was zu einem Rückgang der Renditen führte. Die Renditen erholten sich jedoch sehr schnell und erreichten neue Höchststände, weil die Inflation eine längerfristige Wirkung auf den Markt hatte. 

Fazit: Sicherheit erhöhen, Flexibilität erhalten

Wir bleiben bei Aktien und im Kreditmarkt untergewichtet und übergewichten Staatsanleihen. Als Maßnahme des Risikomanagements schichten wir zudem in Marktsegmente mit höherer Qualität um. Gefragt ist darüber hinaus Flexibilität, um Besonderheiten in einzelnen Regionen, Sektoren und Ländern berücksichtigen zu können. 

Wir sind aktuell der Ansicht, dass der US-Dollar, Gold und Staatsanleihen einen gewissen Schutz bieten, sollte die Marktvolatilität zunehmen, wenngleich die Aussichten für Anleihen sich verschlechtern würden, wenn die Zentralbanken zu einer restriktiveren Haltung gezwungen sein sollten. Wir bevorzugen britische Staatsanleihen (Gilts) und inflationsgebundene US-Staatsanleihen (Treasuries). Im Kreditmarkt bevorzugen wir die relative Sicherheit von Investment-Grade-Anleihen gegenüber Hochzinsanleihen.

Bei Aktien favorisieren wir derzeit Engagements in Großbritannien, in Japan und in Schwellenländern. Wir wissen, dass ein stärkerer US-Dollar in der Regel negativ auf Schwellenländeraktien einwirkt. Allerdings sind die Schwellenländer dem Währungsdruck insgesamt etwas weniger ausgesetzt als in früheren Zyklen wie etwa beim Taper Tantrum im Jahr 2013, als viele Volkswirtschaften noch deutlich höhere auf US-Dollar lautende Schulden hielten. 

Das könnte Sie auch interessieren:

US-Präsidentschaft: Warum der Wahlkampflärm besser ignoriert werden…

Während eines Wahlkampfs kann die Stimmung an den Aktienmärkten leicht kippen…


Carsten Roemheld

Carsten Roemheld

Kapitalmarktstratege Fidelity International

DAX-Rekord: Warum der Leitindex Deutschlands Konjunkturschwäche tro…

Der deutsche Aktienindex DAX erlebt zurzeit eine einzigartige Kursrally, währ…


Carsten Roemheld

Carsten Roemheld

Kapitalmarktstratege Fidelity International

Japan: Zinskurs ins Ungewisse?

Japans Aktienmärkte florieren, während die Wirtschaft fast in eine Rezession …


Carsten Roemheld

Carsten Roemheld

Kapitalmarktstratege Fidelity International