Die USA will Staatsausgaben senken, während die Konjunkturaussichten schrumpfen. Europa hingegen öffnet die Schleusen: Deutschland investiert Billionen in Infrastruktur und Verteidigung. Entsteht daraus mehr als ein kurzfristiger Wachstumsimpuls, kann ganz Europa profitieren.

Der Glaube an die ewige Überlegenheit der US-Märkte bröckelt. Jahrelang galt: Wachstum, Technologie, Innovation – all das kommt vor allem aus Nordamerika. Globale Kapitalströme folgten oft überzeugenden Wachstumsversprechen, die den US-Markt als unantastbar erscheinen ließen. 

Inzwischen sehen viele Anlegerinnen und Anleger die Lage jedoch differenzierter. So hatte Präsident Donald Trump im Wahlkampf noch versprochen, internationale Unternehmen in die USA zu locken. Aus „America First“ droht nun „America Last“ zu werden. Denn der angekündigte Rückbau von Förderprogrammen¹ wie dem CHIPS Act und dem Inflation Reduction Act (IRA) nimmt den USA einige Standortvorteile. Zudem gehen viele Ökonominnen und Ökonomen davon aus, dass die von Trump verhängten Strafzölle und Gegenmaßnahmen die US-Wirtschaft Wachstum kosten werden². Gleichzeitig lastet weiterhin ein historisch hoher Schuldenberg von 36 Billionen US-Dollar³ auf dem Land. Fiskalische Disziplin wird zum unausweichlichen politischen Agenda-Punkt, der damit auch Interessenskonflikte schafft.

US-Finanzminister Scott Bessent erklärte kürzlich in einem NBC-Interview⁴, er schließe eine Rezession im Jahr 2025 nicht mehr aus. Bereits Ende März schrillten die Alarmglocken, als der Echtzeit-Indikator der regionalen Notenbank Atlanta Fed ein schrumpfendes BIP⁵ für das erste Quartal signalisierte. Die vielen guten Konjunkturprognosen zu Jahresbeginn, die noch eine Fortsetzung des US-Exzeptionalismus der vergangenen Jahre vorhersagten, scheinen einer negativen Revision nach der anderen zum Opfer zu fallen.

Aufbruchsstimmung in der alten Welt 

In der Eurozone zeichnet sich unterdessen eine ganz andere Dynamik ab. Nach Jahren fiskalischer Zurückhaltung füllen die Staaten ihre Kassen mit neuen Schulden. Deutschland hat im März ein billionenschweres, schuldenfinanziertes Investitionspaket verabschiedet. Das Geld soll in Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung  fließen.
 
Hatte die Eurozone bislang keine Investmentstory, die auch nur annähernd mit der amerikanischen mithalten konnte, so deutet nun vieles auf einen Wandel hin. Infrastrukturprojekte werden vorangetrieben, Verteidigungsbudgets aufgestockt, die jahrzehntelang als unumstößlich geltende deutsche Schuldenbremse ist gelockert. Der alte Kontinent will aufholen, gezielte Investitionen in strategisch wichtige Sektoren sollen den stotternden Wachstumsmotor wieder in Gang bringen.


An den Börsen findet diese Aussicht schon Anklang. Anlegerinnen und Anleger haben in den vergangenen Monaten begonnen, Kapital aus dem US-Aktienmarkt abzuziehen und stärker in europäische Titel umzuschichten. Im März beschleunigte sich der Trend: Während US-Aktien-ETFs den zweiten Monat in Folge Abflüsse verzeichneten und rund 1,3 Milliarden US-Dollar verloren, flossen in europäische Aktien-ETFs fast 9 Milliarden US-Dollar an frischem Kapital⁷.  Auch eine März-Umfrage der Bank of America (BofA)⁸ zeigte: Viele institutionelle Investoren hinterfragen ihr traditionell hohes US-Übergewicht – nicht zuletzt, weil handelspolitische Unsicherheiten die Nachfrage nach geografischer Diversifikation zusätzlich befeuern dürften.

Richtig ist aber auch: In den USA erzeugen gutes Storytelling, Innovation, staatliche Förderprogramme und privates Kapital bereits seit Jahren immer wieder sich selbst verstärkende Effekte. In Europa fehlt eine solche Wachstumsdynamik noch. Staatliche Investitionen können zwar wichtige Impulse geben, aber ohne privates Kapital, effiziente Finanzmärkte, eine lebendige Gründerkultur und Unternehmen, die die Impulse auch aufgreifen, wird aus der Aufbruchsstimmung kein nachhaltiges Wachstum werden.

Fazit

Ein Ende des US-Exzeptionalismus könnte einen Wendepunkt für Europa bedeuten. Der Kapitalmarkt sucht nach neuen Geschichten. Der alte Kontinent hat jetzt die Chance, die nächste große Story zu erzählen. Doch dazu braucht es mehr als Staatsschulden und fiskalischen Rückenwind. Es bedarf langfristiger Perspektiven, die Anlegerinnen und Anleger überzeugen. Und Unternehmen, die sie mit Leben füllen.

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Carsten Roemheld

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Alastair Baillie Strong

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