Auch wenn es schon lang im Raum stand, kam die Nachricht über die Erweiterung Ende August dann doch überraschend schnell. Aus BRICS wird 2024 BRICS plus - und das Fünf-Staatenbündnis der großen Schwellenländer wird um sechs Staaten erweitert: Saudi-Arabien, Iran, Äthiopien, Argentinien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate treten einem neuen Bündnis bei, das ein wirtschaftliches Gegengewicht zu den westlichen Industrienationen bilden soll. Es geht unter anderem um die Emanzipation vom US-Dollar und um eine laute Stimme am globalen Verhandlungstisch. Der Wunsch ist verständlich: Schon jetzt vereint das BRICS-Quintett 26% des Welthandels, nach Erweiterung sind es sogar 29%. Mit den neuen Mitgliedstaaten vertritt BRICS plus zudem rund die Hälfte der Weltbevölkerung¹.   

Während China als größter Spieler im neuen Klub wirtschaftliche Alternativen schafft, ringt der Westen noch um den richtigen Umgang mit dem Wirtschaftspartner². Ein Kurswechsel in der US-Außenhandelspolitik soll etwa dafür sorgen, dass Lieferketten für Technologie und Rohstoffe in sogenannte befreundete Staaten³ verlegt werden – zu denen man China nicht zählt. Strategische Partnerschaften mit demokratischen Schwellenländern wie Indien⁴ könnten Abhängigkeiten von Russland und China verringern. In Europa setzte die deutsche Bundesregierung mit ihrer neuen China-Strategie ein Zeichen fürs De-Risking.⁵ Heißt: Hier will man diversifizieren, den Handel aber nicht stoppen. China war im Jahr 2022 schließlich erneut Deutschlands wichtigster Handelspartner⁶.  

Handel bleibt in der Wirtschaft

Das dürfte sich ändern. Denn mit der BRICS-Erweiterung greifen die Schwellenländer dem Westen beim De-Risking quasi vor. So wie es aussieht, löst China gerade seinerseits Abhängigkeiten zum und vom Westen auf. Und zwar durch ein illustres Bündnis von Staaten völlig unterschiedlicher politischer Systeme und Interessen. Iran und Saudi-Arabien bekämpfen sich im Nahen und Mittleren Osten sogar, kürzlich kam es auch zwischen China und Indien zu einem Konflikt über die Staatsgrenzen⁷.   

Und trotzdem kommen die BRICS-plus-Staaten offenbar wirtschaftlich gut miteinander klar. Die Botschaft klingt wie bei uns in den 1990er Jahren: Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht, und man muss nicht politischen einig sein, um Handel zu treiben. Stattdessen pflegt man das traditionelle chinesische Prinzip der „Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten“⁸.  

Die Außenpolitik bei uns dagegen längst stark wertegleitet, auch wirtschaftliche Beziehungen ohne politische Nähe immer schwerer vermittelbar. Die USA wollen den Handel künftig am liebsten nur noch mit Freunden betreiben. Man darf gespannt sein, welche Strategie sich am Ende durchsetzt. 

Fazit: BRICSplus fordert den Westen heraus

Die Schwellenländer fordern den Westen mit einem alten Rezept heraus. Sie schieben politische Uneinigkeiten beiseite und vereinen sich im Willen, dem Westen die Stirn zu bieten. Europa und die USA sind derweil mit Selbstfindung und der Suche nach dem moralischen Kompass beschäftigt. Ob sich am Ende das werteorientierte oder pragmatische Miteinander auf der Welt durchsetzt? Das scheint offener denn je.

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